BAD AACHEN 02-2018
Foto: shutterstock.com 4 | B AD A ACHEN 02/18 KARNEVAL Historische Elf der Jeckerei Karneval hat in Aachen eine Tradition, die 200 Jahre in die Vergangenheit reicht – Bälle mit Verkleidung gar noch länger. B AD A ACHEN -Autorin Sabine Mathieu nimmt närrische Schlagwörter unter die Lupe. D er rheinische Ureinwohner wird quasi met dr Pappnas jebore . Der Öcher aus dem Westzipfel des Rhein- lands ist – wie seine Kölner Nachbarn – mit dem Virus Carnevalis infiziert. B AD A ACHEN hat zum besseren Verständnis der bis Aschermittwoch weit verbreiteten Winterinfektion elf Schlagwörter zur hiesigen Narretei zusammengetragen. Karneval Das Wort kommt aus dem Lateinischen. Carne vale bedeutet Fleisch geht/Verzicht auf Fleisch und deutet auf die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern. Gleich- zeitig nimmt der Ausdruck Bezug auf Carrus navalis, was Schiffs-Karren ( frei: Narrenschiff) bedeutet. Narrenschiff Die erste dokumentierte karnevalistische Aktivität fand – nein, nicht in Köln – in Aachen statt! Der Spaß begann 1133 in Kornelimünster. Ein Bauer hatte ein Schiff auf Räder gesetzt, Weber überredet, das Gefährt mit Segeln auszustatten und damit über Land zu ziehen. Überall, wo es hinkam, zog es Menschen an, die fröhlich singend darum herumtanzten. Im heute belgischen Leuven (Löwen) wurde es schließlich verbrannt, weil die „unsittlichen“ Vorkommnisse die Kirchen provoziert hatten. Narrenkappe Noch heute erinnert die Form von Narrenkappen ans Narren- schiff (s. o.). Die Kappen waren im Kölner Karneval seit 1827 sogar amtlich vorgeschrie- ben, damit sich die Narren, die von der preußischen Obrigkeit misstrauisch beäugt wurden, deutlich abhoben. Die Vorschrift wurde dem Rechtsreferen- dar Otto von Bismarck in Aachen 1837 zum Verhängnis. Da er sich weigerte, seinen Zylinder gegen eine Narrenkappe zu tauschen, wurde er beim Karnevalsball der Florresei an die frische Luft gesetzt. Die Kappen sind bei Karnevalsvereinen weit verbreitet und werden stets zum Anzug getragen. Unter der Würde ihrer Ämter wirken die Hauptverantwortlichen für die närrische Sause oft nicht sehr fröhlich. Merke: Wo der orga- nisierte Karneval beginnt, hört der Spaß manchmal auf… Karnevalsgesellschaften Trotzdem: Ohne Organisation würde die Narretei aus dem Ruder laufen. 1829 stimmte die preußische Regierung zähneknirschend der ersten Karnevalsgesellschaft in Aachen zu. Sie hieß Florresiana Aquis- granensis , kurz Florresei, und musste nach Aschermittwoch wieder aufgelöst werden. Aktuell gibt es über 50 eingetragene Karnevals- vereine in Aachen. Der älteste ist die Stadtgarde Oecher Penn von 1857. 1859 gründete sich aus der Florresei heraus der Neue Aachener Karnevalsverein, heute AKV. Sitzungen Karnevalsveranstaltungen waren immer schon ein beliebtes Ventil für das gemeine Volk , um Dampf abzulassen, Kritik zu äußern. Dabei wurden die Offiziellen und Amtsträger im Rahmen von närrischen Sitzungen mächtig durch den Kakao gezogen. Um die Zensur zu umgehen, entwickelte sich die Tradition der närrischen Büttenrede. Bütt Bereits im 16. Jahrhundert hielten Handwerksgesellen zur Narrenzeit Reden über Adelige. 1513 mussten etliche Öcher Ratsmitglieder eilig die Stadt verlassen, nachdem unter dem Namen Pasquilius jemand ein satirisches Gedicht veröffentlicht hatte. Darin wurden einige bis dahin honorige Übeltäter enttarnt, humorvoll zwar, aber in der Wirkung durchaus ernsthaft: Die Herren hatten sich aus der Stadtkasse bedient. Im 19. Jahrhundert war die Büttenrede während Festveranstaltungen etabliert. Wer schmutzige Wäsche zu waschen hatte, der stieg in den Waschzuber, also in die Bütt! Jecker Verzäll in Reimform wurde in Aachen beim Ritt auf dem Pegasus vorgetragen. Immer noch verleiht die Stadtgarde Oecher Penn den Pegasus-Orden . Eine der ersten Büttenrednerinnen in Aachen war Gitta Haller. Garden und Stippeföttcher Mehr und mehr organisierten sich die Karnevalisten in Garden. Militärischer Drill wird von ihnen gerne verballhornt: Eine Gaudi ist der Stippeföttcher-Tanz , der wohl aus einer militärischen Exerzier- Übung hervorgegangen ist, sich historisch bis in die Bronzezeit zurück nachweisen lässt. Die Gardisten stehen dabei Rücken an Rücken und wibbeln mit dem Po gegeneinander. Garden-Gaudi: Militärischer Drill und Mariechentanz. Foto: medien.aachen.de/A. Herrmann Foto: AKV Jeckes Statussymbol: Orden Wider den tierischen Ernst. Foto: fotolia.com - A. Bruno
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