BAD AACHEN 05-2020

8 | B AD A ACHEN 05/20 E ine Einsatzlage wie diese während der Corona-Krise? „Das habe ich in 30 Berufsjahren nicht für möglich gehalten“, sagt Jürgen Wolff, seit 2009 Chef der Feuerwehr Aachen. Die Funktion als Leiter eines Krisenstabes ist ihm vertraut, aber sie hat im Frühjahr 2020 eine neue Dimension erfahren: „Man ist permanent mit höchsten Vertre- tern von Stadt und Städteregion zusammen, das ist außergewöhn- lich.“ Was ihm viel bedeutet, ist der Leistungswille seiner Teams. „Es ist bemerkenswert, wie unser Alltag bei der Feuerwehr funktioniert“, sagt er. „Wir haben zurzeit einen sehr geringen Krankenstand.“ Die Identifikation mit den Aufgaben der Feuerwehr, der Stolz auf den Beruf, der sich gerade in einer Krise als „Berufung“ erweise, trage dazu bei, dass alle zielgerichtet agierten. Wolff selbst empfindet einen wichtigen Rückhalt in der Familie. „Manchmal brauche ich eine Viertelstunde auf der Couch, bevor ich zum Essen komme, da schlafe ich dann auch mal kurz ein“, sagt er. Zum Durchatmen steigt er aufs Fahrrad. Auch Musik hilft ihm zu entspannen. Kein Wunder also, dass der Corona-Song Immer wieder geht die Sonne auf von Polizei- und Feuerwehrbeamten seine Idee war. Täglich wichtige berufliche Entscheidungen zu treffen, ist Wolff gewohnt. Da bewahrt er sich die Freiheit, je nach Einschätzung der Lage eigene Wege zu gehen. „Das Ergebnis zählt“, betont er. Auch seinen Einsatzleitern hat er die Fähigkeit vermittelt, selbstständig zu entscheiden. „Sie sind gut ausgebildet, sie wissen, ob sie junge Kollegen zum Beispiel in einen Brandort schicken können.“ Schöne und schwere Momente haben seine Arbeit, sein Leben geprägt, und er ist heute noch gespannt auf jeden Tag. Kennt er Angst? „Das ist der falsche Begriff“, betont er. „Ob Feuer, Wasser oder andere Dinge, die einen Einsatz nötig werden lassen – ich habe hohen Respekt.“ Digitaler Wandel bei der Berufsfeuerwehr: Zum ersten Mal trafen sich 16 Brandmeister-Anwärter zum Ausbildungs- start nicht im Seminarraum, sondern per Videokonferenz. Die ersten sechs Wochen bedeuten für sie Homeoffice, gut versorgt mit Lehr- unterlagen. Auch das hätte keiner für möglich gehalten. sar Herr Wolff, als Sie vor gut zehn Jahren Leitender Branddirektor der Feuerwehr Aachen wurden, haben Sie an eine Situation, wie sie sich im Rahmen der Corona-Krise entwickelte, nicht gedacht. Wird man auf so etwas vorbereitet? Über das universitäre Studium – ich habe ja an der RWTH Aachen Bergbau studiert –, über das Referendariat, das zweite Staatsexamen und über so viele Jahre in Leitungsarbeit in Berufsfeuerwehren habe ich sicher eine solide Basis erhalten. Es kamen auch Einsatzführungen in größeren Schadenlagen dazu. Eins darf ich sagen: Einen intensiven und ernsten Pandemie-Fall wie diesen hat man bei allem, worauf man sich vorbereitet, nicht vor Augen. Wir reden über Bahnunfälle, Waldbrände, über Hochwasser oder gravierende Stromversorgung. Wir konnten uns dennoch schnell auf das Thema einstellen. Wenn- gleich eine Krisenstabssituation über so viele Wochen noch nie da war. Sie und Ihre Kollegen gehören zu den Krisenstäben von Stadt und Städteregion. Was ist und war dabei Ihre Hauptaufgabe? Die Leitung dieser beiden Krisenstäbe, die ja gemeinsam tagen und von daher gefühlt ein großes Gremium sind, ist sehr anspruchsvoll. Es treffen sich täglich sehr versierte Fachleute, um im besten Sinne Entscheidungen zu treffen und vorausschauend zu planen. Hinzu kommen viele Untergruppen und bilaterale Treffen zu allen relevan- ten Themen in der Krise. Es ist eine große Herausforderung in der Koordinierung, sachlich und doch auch verbindlich. Wir werden unsere Arbeit weiter fortsetzen und haben dafür eine gute Basis. Welche neuen Technologien überzeugen Sie ganz besonders? Gerade in unserer Corona-Lage hat sich gezeigt, dass wir mit dem in Aachen vor Jahren entwickelten und über die Zeit erfolgreich eingesetzten Tele-Notarzt über ein herausragendes Instrument im Rettungsdienst verfügen. Der Tele-Notarzt hat uns auch jetzt bei der Versorgung und besonders beim Transport von Patienten sehr gut geholfen. VORGESTELLT Foto: Stadt Aachen/A. Herrmann FRAGE BOGEN Geburtsdatum: 29. 3. 1962 Geburtsort: Eschweiler Familienstand: verheiratet, drei Söhne Beruf: seit 2009 Leiter der Feuerwehr Aachen Hobbys: in der Natur unter- wegs sein, (Berg-)Wandern, Skifahren Jürgen Wolff Manager der Krise Auch der Leiter der Feuerwehr Aachen steht aktuell vor neuen Aufgaben.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTM5Mjg=