BAD AACHEN 06-2020
10 | B AD A ACHEN 06/20 EUROPA UND EUREGIO Über Grenzen hinweg Aachen und das Dreiländereck: Europaabgeordnete Sabine Verheyen spricht mit B AD A ACHEN über EU-Maßnahmen, Einschränkungen, Nebeneffekte und Ausblicke in der Coronakrise. Ü berall in der Europäischen Union und auf der ganzen Welt wirbelt die Corona-Pandemie das Leben der Menschen durcheinander. Kaum jemand hätte sich jemals vorstellen können, an die eigenen vier Wände gefesselt zu sein, Freunde nicht sehen zu dürfen, im Alltag Maske tragen zu müssen. Auch nicht Sabine Verheyen (Foto, CDU). „Die aktuelle Situation ist so noch nie da gewesen und stellt uns alle vor große Herausforderungen“, weiß die 55-jährige Aachenerin, die seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments ist. Ihre Arbeit als Europaabgeordnete hat sich durch die Coronakrise stark verändert. Wie viele andere Menschen hat auch sie in den vergangenen Wochen sehr viel von zu Hause aus gearbeitet. Drei Geräte sind oft parallel im Einsatz: Smartphone, Tablet und Surface. Damit ist Sabine Verheyen gut gerüstet für Fernabstimmungen des EU-Parlaments, Kulturausschuss- arbeit via Telefon- und Videokonferenz und den täglichen E-Mail- Verkehr. So kann gesichert werden, dass das EU-Parlament weiterhin entscheidungs- und handlungsfähig bleibt. B AD A ACHEN spricht mit der Politikerin über Gefahren, Chancen und geschlossene Grenzen. B AD A ACHEN : Die Pandemie ist ein weltweites und damit auch europaweites Problem. Welche Möglichkeiten der Einfluss- nahme hat das Europäische Parlament in dieser Situation? Sabine Verheyen: Als EU-Parlament waren und sind wir maßgeblich an den Hilfsmaßnahmen und -programmen der EU beteiligt. Darun- ter die Bereitstellung von 37 Milliarden Euro aus dem EU-Struktur- fonds, die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Stabilitätsfonds auf Gesundheitsnotstände und damit die Bereitstellung von 800 Millionen Euro in diesem Jahr oder die Mobilisierung von drei Milli- arden Euro als Soforthilfe für nationale Gesundheitssysteme. B AD A ACHEN : Das Virus macht nicht an Grenzen halt. Die Auswir- kungen sind für uns im Dreiländereck besonders stark spürbar. Wie wichtig ist es, hier Normalität einkehren zu lassen? Verheyen: Grenzen zu unseren Nachbarländern existieren für uns gewöhnlich nicht. Umso wichtiger ist es daher, dass wir Stück für Stück zu unserer vereinten Euregio zurückkehren. In Deutschland haben wir ähnlich strenge Regeln der Kontaktbeschränkungen vor- gegeben wie etwa Belgien. Die belgischen Grenzschließungen und -kontrollen machen in meinen Augen daher keinen Sinn mehr. Sie sollten seitens Belgiens schnellstmöglich und unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes aufgehoben werden. B AD A ACHEN : Stichwort Grenzkontrollen: Ist es denkbar, dass zukünftig verstärkt an derlei Maßnahmen festgehalten wird? Verheyen: Das Schengener Abkommen regelt die Möglichkeit vor- übergehender Grenzkontrollen. Diese Maßnahmen dürfen höchs- tens 30 Tage dauern oder solange die schwerwiegende Bedrohung andauert. Als Europaabgeordnete bin ich natürlich grundsätzlich für offene Grenzen und als Kind einer Grenzregion schmerzt mein Herz bei den Kontrollen besonders. In Europa mussten wir sehr lange für diese Freizügigkeit kämpfen. Die Entscheidung über die Aufhebung der Kontrollen liegt zwar bei den EU-Mitgliedstaaten, die aktuelle Situation darf aber auf keinen Fall zu einem Dauerzustand werden. Mit einigen meiner Kollegen aus dem EU-Parlament setze ich mich derzeit für Grenzöffnungen ein. B AD A ACHEN : Als Vorsitzende des Kulturausschusses liegt Ihnen das kulturelle Leben besonders am Herzen. Verheyen: Die Coronakrise stellt die Kultur- und Kreativbranche in Europa vor große Herausforderungen. Finanzielle Hilfe soll auch bei ihr ankommen. Die Unterstützung für den Kultursektor wird dadurch erschwert, dass in der Branche viele Solo-Selbstständige, Freiberufler und kleine Unternehmen vertreten sind, die häufig nicht unter die allgemeinen Hilfsmaßnahmen fallen. Der Kulturausschuss des EU-Parlaments tritt deshalb dafür ein, dass die EU hier spezifi- sche und flexiblere Hilfen bereitstellt. B AD A ACHEN : Kann man sagen, dass durch die Krise auch positive Nebeneffekte entstanden sind? Zum Beispiel im Onlinebereich? Verheyen: Durchaus. Ein Beispiel könnten flexiblere Arbeitszeiten sein oder Video-Konferenzen anstelle von Geschäftsreisen. Die Krise regt zu Kreativität an und zeigt uns, was durch Digitalisierung mög- lich wird. Es wäre schön, wenn auch in Zukunft virtuelle Theaterauf- führungen für weniger mobile Menschen zur Verfügung stünden. Im Bildungsbereich hat die EU eine Online-Plattform School Education Gateway erstellt, auf die Lehrkräfte zugreifen können. Darüber hin- aus zeigt uns diese Krise, wie wichtig die Europäische Gemeinschaft ist. Wir müssen aus der aktuellen Pandemie lernen und die EU stärken, um im Fall künftiger grenzüberschreitender Gesundheits- bedrohungen schneller handlungsfähig zu sein. Die belgischen Grenzen sind für nicht zwingend notwendige Übertritte geschlossen. Bei Redaktionsschluss galt dies bis mindestens 8. Juni. Die Grenzen zu den Niederlanden sind offen. Eine Quarantänepflicht nach einem Aufenthalt in einem anderen EU-Land besteht in NRW nicht mehr. Mehr unter www.land.nrw und www.sabine-verheyen.de . Foto: shutterstock.com/John Kehly Foto: www.fkph.net
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