BAD AACHEN 09-2020
8 | B AD A ACHEN 09/20 N ach elf Jahren ist Schluss – Marcel Philipp hat auf eine weitere Kandidatur als Oberbürgermeister verzichtet. Er möchte beruf- lich noch einmal etwas Neues starten, „in agilen Strukturen, mit mehr Freiheiten und weniger öffentlicher Präsenz“, wie er sagt. Die Gestaltungsmöglichkeiten, die ihm das Amt gelassen hat, waren ihm letztlich zu eng. Er hätte sich manches in der Realisierung wesentlich schneller gewünscht. Auch in der von ihm geleiteten Stadtverwal- tung. Philipp: „Verwaltung hat in erster Linie nicht Geschwindigkeit im Kopf, sondern Gründlichkeit. Das ist ja auch nicht falsch. Dennoch wäre es manchmal schöner, die Zeit als Faktor höher zu bewerten.“ Und die Politik? „Die bewegt sich oft zu sehr in endlosen Schleifen, das kann einen manchmal in den Wahnsinn treiben.“ Zufrieden ist Philipp mit der sich gut entwickelnden Ausstrahlung der Stadt durch große Veranstaltungen und Themen, er nennt als Beispiel den Karlspreis, den CHIO und das Graduiertenfest der RWTH, das ein gutes Bild für die Kooperation zwischen Stadt und Hochschulen darstelle. Die Kritik an der Situation in der Innenstadt mit Leerständen, Verunreinigung, Bettelei und Vergleichen etwa mit Maastricht hält er für berechtigt. Es gebe in mehreren Bereichen leider noch keine endgültigen Problemlösungen. Als erste Herausforderung für die kommenden Jahre sieht er die Neugestaltung des Bushof-Geländes. Die gemeinsame Anlaufstelle von Ordnungsamt und Polizei werde eine maximale Präsenz ermög- lichen. Die städtebauliche Planung hätte er sich schneller gewünscht. „Wir können es uns nicht leisten, 15 Jahre nur zu planen. Wir müssen anfangen und Fakten schaffen. Wir hätten längst viel weiter sein können.“ Die engen Grenzen… Die gab es auch beim Büchel-Projekt. „Da hat es im Umgang mit der Prostitution fehlenden Mut gegeben. Es war ein Fehler, darüber einen Schutzschirm zu spannen. Prostitution gehört da nicht hin.“ Für Ernüchterung habe bei ihm auch die Ablehnung der Campus- bahn gesorgt. Dennoch blickt er dankbar auf die elf OB-Jahre zurück: „Ich empfinde diese Zeit als großes Geschenk.“ bm Was ist das Schönste am Oberbürgermeisteramt? Es ist die Möglichkeit, die Entwicklung der Stadt zu prägen durch die Prioritäten, die man in der Amtsführung setzt. Besonders schön ist es, wenn daraus Erfolge entstehen. So ist z. B. der Zusammenhalt der Gesellschaft spürbar, wenn man persönlich für eine Haltung steht. Auch die Zukunftsfähigkeit der Stadt als Hochschulstandort und Reallabor für neue Technologien, Digitalisierung und Nachhal- tigkeit ist ein Feld, in dem die Richtung maßgeblich beeinflussbar ist. Was ist denn weniger schön, mal ehrlich…? Die Macht des Amtes hat trotzdem enge Grenzen. Manches dauert in der Umsetzung viel länger, als man möchte. Wer hat Sie besonders beeindruckt? Ich durfte sehr viele Menschen kennenlernen, die sich auf verschie- denste Weise ehrenamtlich engagieren und die oft eine tiefe Verwur- zelung mit der Stadt entwickeln. Beeindruckend finde ich den Mix aus Pflege uralter Traditionen einerseits und der großen Bereiche- rung, die durch Menschen unterschiedlichster Kulturen entsteht. Und wer oder was hat Sie besonders geärgert? Niemand, der mich geärgert hat, hätte es verdient, an dieser Stelle Erwähnung zu finden. Und nun, Herr Oberbürgermeister? Schon seit 2017 habe ich mich mit der Frage beschäftigt, was für mich nach diesem auf Zeit vergebenen Amt kommen könnte. Dabei ist der Wunsch größer geworden, etwas Neues zu starten, in agilen Strukturen, mit mehr Freiheiten und weniger öffentlicher Präsenz. Demnächst berichte ich gerne mehr, aber noch steht das Amt des Oberbürgermeisters im Vordergrund. Im Rathaus ist noch viel zu tun. Das komplette Interview unter www.bad-aachen.net (Fragebogen). VORGESTELLT Foto: Stadt Aachen/A. Herrmann FRAGE BOGEN Geburtsdatum: 7. 5. 1971 Geburtsort: Aachen- Burtscheid Familienstand: verheiratet, eine Tochter, ein Sohn Beruf: Restaurator, Betriebs- wirt des Handwerks, seit 2009 Oberbürgermeister Hobbys: Familie, Golf Marcel Philipp Neu durchstarten Nach elf Jahren tritt Aachens Oberbürgermeister ab – Blick zurück und voraus
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