BAD AACHEN 11-2020
16 | B AD A ACHEN 11/20 BILDUNG Gegen das Vergessen An 44 Orten erinnern Bronzetafeln an die Verbrechen der Nationalsozialisten. Die VHS Aachen zeichnet für das Projekt verantwortlich. Und Direktorin Dr. Beate Blüggel weiß, warum das so wichtig ist. Von Sabine Rother H ier und da setzt der Grünspan farbliche Akzente und verstärkt damit die streng sachliche, mahnende Wirkung: 44 massive bronzene Tafeln erinnern an authentischen Orten in der Stadt Aachen unter dem Motto Wege gegen das Vergessen 1933–1945 an die Gewaltherr- schaft der Nationalsozialisten. Das Projekt, 1994 von Bürgern, Parteien und engagierten Gruppen ins Leben gerufen, wurde 1996 im Stadtrat genehmigt und 1997 der Volks- hochschule (VHS) Aachen übertragen. „Wir sind inzwischen kooptiertes Mitglied im Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW“, berichtet Dr. Beate Blüggel, Direktorin der VHS (Foto, l.). Die Idee, das Bildungsangebot für Schulen, Bürger und Touristen zu schaffen, hat eine Erweiterung gefunden. „Wir leben inzwischen mit vielen Menschen, die aus anderen Ländern kommen, die wenig Bezug zur deutschen Vergangenheit haben“, erläutert Beate Blüggel. „Da ist es unsere Aufgabe, Wissen weiterzugeben.“ Der Grafiker Klaus Endrikat hat rechteckige Bronzetafeln geschaf- fen, die meist an Hauswänden zum Verweilen auffordern und das Signal aussenden: Hier war ein Ort, an dem sich NS-Gewalt manifes- tiert hat . Die VHS bietet Führungen und Workshops an, um die Stadt zu erkunden. Während die metallenen Stolpersteine im Pflaster an Menschen erinnern, die dort, wo man den Stein entdeckt, gewohnt haben, deportiert und ermordet wurden, greifen die Tafeln der Wege gegen das Vergessen umfassende Themen auf wie Verwaltung, Grenzen, Recht oder Flucht. Bittere Erinnerungen Die Gedenktafeln tragen dabei Informationen, die Haus oder Stadt- viertel plötzlich als realen Tatort entlarven: Gänsehaut ist angesagt, wenn man vor dem ehemaligen Regierungsgebäude am Theater- platz steht und erfährt, dass genau in diesen Mauern die Gestapo ihre Büros hatte, Menschen misshandelt und in den Tod geschickt wurden. Ein bitteres Detail wird am Rathaus berichtet: Am 29. März 1933 hatte der Stadtrat beschlossen, Adolf Hitler die Ehrenbürger- schaft anzudienen, und am Landgericht erinnert man an die politisch unliebsamen sowie jüdischen Richter und Staatsanwälte, die nach 1933 gefeuert und verfolgt wurden. „Wenn man die Gebäude sieht, spürt man, wie sie das Grauen erzählen“, sagt Beate Blüggel. Und wer am Bahnhofplatz/Verwaltungsgebäude liest, dass vom damaligen Gesundheitsamt Zwangssterilisation und Euthanasie organisiert wurden, wird diese Station auf den Wegen gegen das Vergessen nicht mehr vergessen. www.vhs-aachen.de · www.wgdv.de MAHNWACHE VOR DER SYNAGOGE Seit 1988 erinnert das Aachener Bündnis Pogromnachtgedenken jährlich mit einer Mahnwache an die Pogrome gegen Juden, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ihren Höhepunkt fanden. Synagogen brannten, Geschäfte und Häuser wurden geplündert. Der Beginn des Terrors gegen Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland, der in massen- hafter Menschenvernichtung mündete. Auch in Aachen zündeten die Nationalsozialisten in dieser Nacht die Synagoge an, zerstörten das Eigentum jüdischer Menschen, verschleppten sie gewaltsam in Konzentrationslager. Die Aachener Richard Hirsch und Walter Gustav Struch wurden so am 10. November 1938 ins KZ Buchenwald deportiert. Mit ihnen weitere 266 jüdische Männer aus Aachen und Umgebung. Hirsch starb dort bereits am 18. November, Struch am 23. November 1938. Im Totenbuch des KZ Buchenwald ist für beide als Todesursache angegeben: „an Herzschwäche verstorben“. In der Presse verlautete es zu den Pogromen und ihren Folgen: „Nein, den Juden selbst ist nirgendwo auch nur ein Haar gekrümmt worden.“ Unter dem Motto: Aus der Geschichte lernen! Der Opfer gedenken! Die Zukunft gestalten frei von Antisemitismus, Rassis- mus, Faschismus und Krieg findet auch in diesem Jahr am Mon- tag, 9. November, 17.30 Uhr, eine Mahnwache am Synagogen- platz Aachen statt. Das Programm der Veranstaltungsreihe Gedenken an die Pogromnacht 1938 fällt allerdings etwas kleiner aus als üblich. aachen.vvn-bda.de/2020-gedenken-an-die-pogromnacht-1938 Bei der Enthüllung: die Verantwortlichen des Projekts. Fotos: VHS Aachen
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