8 | BAD AACHEN 03/23 Für Heinrich Brötz, den neuen Beigeordneten für Bildung, Jugend und Kultur der Stadt Aachen, gibt es im Leben und im Beruf nicht nur einen einzigen Weg, der zum Ziel führt – zumal dann, wenn man so vielseitig interessiert ist wie er. Zuletzt hatte er den städtischen Fachbereich Kinder, Jugend und Schule geleitet. Zuvor war er bei Misereor Aachen als Länderreferent für Brasilien, später als Abteilungsleiter Lateinamerika tätig, stets auf Reisen – mit Leidenschaft. Heute kann er vom Fenster seines Büros aus auf das Gebäude des Hilfswerks an der Mozartstraße blicken. „Es ist seltsam“, lächelt Brötz, „bereits als 14-Jähriger wollte ich zu Misereor.“ Mit einem Aufkleber anders leben, damit andere überleben, der seine Schreibtischauflage als Schüler schmückte, fing alles an, dann folgte ein Praktikum in Brasilien, wo er die portugiesische Sprache lernte. Studium? „Architekten, Theologen und Agrarwissenschaftler gab es genug, man brauchte ökonomischen Sachverstand“, erinnert sich Brötz. Er studierte in Münster, ging als Diplom-Volkswirt zum Bischöflichen Hilfswerk. Immer wieder reizte ihn der Quereinstieg, den er etwa als Geschäftsführer und Vorstand der Caritas in Geldern-Kevelaer wagte. Sein Prinzip bis heute: zuhören, hinschauen, sich gut vorbereiten. Als Dezernent hat er es seit Jahresbeginn mit zahlreichen Mikrokosmen zu tun, ob beim Theater, der freien Szene, den Bildungs- oder Kinder- und Jugendeinrichtungen. Im Verwaltungsvorstand interessieren ihn die großen Zusammenhänge, Positionen bei Umwelt, Klimawandel, Stadtentwicklung. Die Situation von Familien in der Stadt ist für ihn ein Zeichen gesellschaftlicher Entwicklung. „Alles im Dezernat ist wichtig, aber hier gibt es Rechtsansprüche, wir sind in der Pflicht“, betont er, der für rund 30000 Kinder und Familien beständig neue Gesetze erkunden, Förderrichtlinien anpassen muss. In Sachen Kultur und Kunst reizen ihn Kooperationsprojekte wie das Tanzfestival Schrittmacher. Bei all den vielfältigen Aufgaben kommt ihm seine wichtigste Auslandserfahrung zugute: Probleme aus der Distanz betrachten. „Da behält man den Überblick“, schließt Heinrich Brötz den Kreis zu vielen Wegen, die ans Ziel führen können. sar Seit Jahresbeginn leiten Sie ein großes Dezernat, sind Mitglied in zahlreichen Gremien. Was bedeutet Ihnen diese Arbeit? Ich lerne dabei immer wieder neu, wie Demokratie funktioniert und wie man sehr unterschiedliche Meinungen zusammenbringen kann, für gegenseitige Akzeptanz sorgt und zugleich die Atmosphäre auflockert. Ich gehe oft mit einer bestimmten Position in so eine Sitzung‚ lasse mich aber gern von anderen Meinungen überzeugen. Wie ist Ihr Eindruck bei der Kultur, was möchten Sie ausbauen? Ich bin gerade dabei, die vielfältigen Akteure der hiesigen Kulturszene kennenzulernen und stelle dabei hohe Qualität, Kreativität und Bereitschaft zur Zusammenarbeit fest. Darauf möchte ich aufbauen. Wichtig sind mir auch niederschwellige Kulturangebote für Kinder und Jugendliche. Ich habe erlebt, welche Erfolge dadurch möglich sind. Wie sieht es bei freien Künstlerinnen und Künstlern aus? Ich würde mir wünschen, dass sie sich organisieren. Eine gute Idee ist das Stadtglühen, bei dem man Kultur auch in die Stadtbezirke bringt. Das wollen wir beibehalten. Für die Debatte konzeptioneller und finanzieller Fragen wäre eine strukturierte freie Szene von Vorteil. Was gilt es, an den Schulen nach Corona aufzuholen? Im Sommer 2023 laufen Landes- und Bundesmittel aus. Wir brauchen aber weiterhin Intensivbetreuung für Kinder, die nicht gut Deutsch sprechen, sonst gehen uns Jahrgänge verloren. Die Angebote sind gefragt, obwohl sie in den Ferien stattfinden. Sechseinhalb neue Stellen für Sozialarbeit wurden von der Politik eingerichtet. Wie können Sie bei all dem entspannen? Gib es noch Reisen? Ich lese die Zeitung, alles von vorn bis hinten. Bei den Reisen halte ich es als Niederrheiner mit Hanns-Dieter Hüsch, der einmal sagte, wir sind zwar weltläufig, aber am liebsten von zu Hause aus. Statt an den Amazonas fahre ich also heute eher nach Frankreich. VORGESTELLT Foto: Stadt Aachen/Heike Lachmann FRAGEBOGEN Geburtsdatum: 3. 6. 1964 Geburtsort: Tönisvorst am Niederrhein Ausbildung: Abitur in Krefeld, Studium der Volkswirtschaft in Münster Familienstand: Vater einer Tochter (18 Jahre) und zweier Söhne (23/26 Jahre) Beruf: Beigeordneter der Stadt Aachen für Bildung, Jugend und Kultur Hobbys: Wandern, Wald- läufe, Radfahren, Theater, Konzerte und mehr Kultur. Heinrich Brötz Mit Akzeptanz & Überblick Der neue Beigeordnete für Bildung, Jugend und Kultur der Stadt stellt sich vor.
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