20 | BAD AACHEN 08/23 AACHEN ENTDECKEN Aachens starke Frauen BAD AACHEN hat sich auf eine sommerliche Spurensuche begeben und Wegbereiterinnen moderner Weiblichkeit aus vergangenen Zeiten gefunden. Vorreiterinnen für Gleichberechtigung, aber für noch vieles mehr! Von Sabine Mathieu Frauenpower ist ein neuzeitlicher Begriff für ein ziemlich altbekanntes Thema. Mit allen Mitteln unserer Zeit versuchen wir heute, den Frauen die ihnen gebührende gesellschaftliche Anerkennung zu geben. Dabei hatte das weibliche Geschlecht in vergangenen Zeiten durchaus einen unverzichtbaren Stellenwert auch in der Öcher Stadtgesellschaft. Ohne Gendersternchen und plakative Betonung ihrer Wichtigkeit gelang es einigen starken Frauen in Aachen, bis heute in der Stadt sichtbar zu sein. Der aachen tourist service bietet hierzu eine Themenführung an, die nicht nur für Frauen spannend und interessant ist. Die Spurensuche beginnt mit Elise. Den Elisenbrunnen kennt jeder in Aachen, aber wer war Elise? Eine Gipsbüste von Kronprinzessin Elisabeth Ludovika von Bayern (Bild) hängt in der Rotunde zwischen den Warmwasserbecken. Das Original von Christian Friedrich Tieck ist aus Marmor und befindet sich im Centre Charlemagne. Elise heiratete den Kronprinzen von Preußen, als der Bau des neuen Brunnens in Aachen gerade begonnen hatte. Entgegen dem allgemeinen Trend des 19. Jahr- hunderts war sie hochgebildet. So konnte Elise ihrem Mann, König Friedrich Wilhelm IV., durchaus in Staatsgeschäften beratend zur Seite stehen. Sie fungierte darüber hinaus als Förderin des 1867 gegründeten Luisenhospitals, das nach ihrer Schwiegermutter Luise von Preußen benannt ist. Das selige Kleeblatt Je weiter man sich dem Dom nähert, umso mehr wird man mit Aachens Ordensgründerinnen konfrontiert. In der Elisabethstraße, für die Elisabeth von Thüringen Patin ist, Ecke Kleinmarschierstraße, findet man das Schervierkloster. Franziska Schervier (Foto, r.) hat die Ordensgemeinschaft der Armen-Schwestern vom Heiligen Franziskus 1845 gegründet. Sie gehört zum seligen Kleeblatt der Aachener Sozialfürsorge des 19. Jahrhunderts. Neben ihr wurden Clara Fey (Foto, l.) und Pauline von Mallinckrodt zu Gründeräbtissinnen neuer Ordensgemeinschaften. Alle drei verbindet eine Beziehung zu Luise Hensel. Die sehr religiöse und für soziale Missstände offene Dichterin war ab 1827 fast sechs Jahre an St. Leonhard tätig, der Schule für höhere Töchter an der oberen Franzstraße. Den Vätern war Luise Hensel ein Dorn im Auge, da sie an das soziale Gewissen ihrer Schülerinnen appellierte. Sie sorgten für ihre Entlassung. Es hat nichts genützt, die Saat der Lehrerin ist letztlich aufgegangen. Alle drei Ordensgründerinnen setzten sich mutig und stark über die ihnen vorgezeichneten Lebensentwürfe hinweg. Spuren von Pauline von Mallinckrodt, die später nach Paderborn ging, findet man am Geldbrunnen, denn dort stand ihr Elternhaus. Clara Fey ist bis heute mit ihrer Ordensgemeinschaft, den Schwestern vom armen Kinde Jesu, sowohl in der Bendelstraße, wo sie geboren wurde, als auch am Lindenplatz vertreten. Auf eine viel früher aktive Ordensgründerin trifft man am Münsterplatz. Dort, wo heute das Gebäude der Sparkasse Aachen steht, gründete Apollonia Radermecher 1626 die Ordensgemeinschaft der Schwestern von der Heiligen Elisabeth. Zuvor war sie seit 1622 an derselben Stelle Gasthausmeisterin des Spitals am Radermarkt, einer der ersten Armenfürsorgeanstalten in Aachen. Puppen und Karnevalisten Am Puppenbrunnen sind zwei Frauen abgebildet. Die Repräsentantin für die Tuchmacherei in Aachen ist das Rüschemamsellchen. Frauen waren meist für das Spinnen der Wolle zuständig. Außerdem büßten viele junge Frauen als Nöpperinnen beim Überarbeiten der Tuche in staubigen Zimmern durch Infektionen ihr Augenlicht ein. Ihnen nahm sich speziell auch Pauline von Mallinckrodt mit ihren Mitschwestern an. Die Marktfrau repräsentiert die cleveren und geschäftstüchtigen Aachener Frauen. Die Masken weisen auf den Öcher Fasteleer und damit besonders auf den Orden wider den tierischen Ernst, der 1988 Gertrud Höhler (Foto, r.), eine bekannte Unternehmensberaterin und Wissenschaftlerin, zur ersten Ritterin machte. 2023 hat es der AKV immerhin geschafft, ein weibliches Dreigestirn zu präsentieren: Moderatorin der Ordenssitzung war Sandra Maischberger, Laudatorin Iris Berben (Ritterin 2022) und die neunte Frau im Ritterstand Annalena Baerbock. Foto: Sabine Mathieu Foto: Christina Sobiraj Repro: Andreas Schmitter Foto: AKV
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