BAD AACHEN 10-2023

4 | BAD AACHEN 10/23 WELTERBE Der Aachener Kirchenschatz des Hohen Doms gilt als der umfangreichste nördlich der Alpen. Jetzt blickt eine Ausstellung zurück auf die Anfänge seiner öffentlichen Präsentation in der Karlskapelle. Von Sabine Rother Sie war tatsächlich einmal eine fromme Kammer, diese längst mit modernster Licht- und Sicherheitstechnik ausgestattete Schatzkammer des Aachener Doms, in der die bedeutendsten liturgischen Gerätschaften, die spirituellen und historischen Werte aufbewahrt und präsentiert werden. Bereits Karl der Große hatte für viel Kostbares gesorgt, vor allem für Reliquien, mit denen er seiner Marienkirche besonderen Glanz verleihen wollte. Ein Blick zurück: Vor 150 Jahren richtete man in der Karlskapelle im Hochmünster eine erste Schatzkammer ein – ganz in der Nähe des Kaiserthrons und ausgestattet mit einem Altar, an dem man bis heute noch die Messe feiern kann. Ein Raum mit sieben Spitzbogenfenstern hoch oben, durch die so rasch niemand eindringen konnte, und mit einer fest verschließbaren Tür, die ihn vom Dominneren trennte. „Der Beginn einer neuen Ära“, sagt Dr. Birgitta Falk, Direktorin der Domschatzkammer, denn die Kapelle bot den Bürgerinnen und Bürgern erstmals die Möglichkeit, glänzende Reliquiare, Kreuze und mehr voller Ehrfurcht aus der Nähe zu bestaunen. Im Gottesdienst hatten sie damals – fern der Geistlichkeit – kaum Gelegenheit dazu. Ein Schritt in Richtung Öffentlichkeit, wobei der Platz nach heutigen konservatorischen Vorgaben nicht ideal war – zu kalt, zu feucht oder zu warm, je nach Wetter und Jahreszeit. Bis 1870 wurden die meisten Kostbarkeiten der Sammlung christlicher Kunst – neben liturgischem Gerät und Reliquienbehältern auch Skulpturen, Malereien, Textilien und Buchkunst – in den Sakristeischränken oder abgelegenen Kammern verwahrt. Doch das Interesse der Bevölkerung war groß und blieb nicht ohne Folgen. Die zuvor vom Karlsverein restaurierte Karlskapelle, in der die jeweiligen Kandidaten der Königskrönungen des Mittelalters vor dem großen Ereignis im Dom eine Nacht im Gebet verbrachten, wurde auserkoren: Hier sollte der Schatz präsentiert werden. „Aachen ist die Nummer eins!“ Je nach Wandfläche wurden sechs Holzschränke angefertigt, die heute noch auf ein paar Fotodokumenten zu sehen sind. Sie boten ausreichend Platz für alte und neue Schätze. In ihnen waren auch die beiden großen Schreine verstaut, die auf diese Weise erstmals auf Augenhöhe gezeigt wurden. Für die Schranktüren wurden mittelalterliche Tafelbilder wiederverwendet – Recycling schon im 19. Jahrhundert! Ende Juni 1873 war es dann so weit: Die Schätze zogen ein – per Prozession zur Kapelle, die dem Frankenkaiser gewidmet worden war. Es war der Tag, mit dem die Schatzkammer zur eigenständigen Institution wurde – besucht von inzwischen 130000 Menschen pro Jahr. „Aachen ist die Nummer eins unter den Schatzkammern in Deutschland“, betont die promovierte Kunsthistorikerin Falk, die den Bereich Domschatzkammer und Dominformation seit November 2016 leitet. Zu Anfang standen die Ausstellungsstücke noch eng beieinander und waren nur mäßig beleuchtet. Da erhob sich das vergoldete Armreliquiar (s. Titelbild dieser Ausgabe) wenige Zentimeter neben einer Truhe, über der ein Heiliger im faltenreichen Gewand auf einem Brettchen residierte, weiter rechts die ottonische Elfenbeinsitula, ein Gefäß aus Elfenbein mit reicher Schnitzerei. Filigran im nächsten Schrankfach das Simeonsreliquiar, bei dem das Jesuskind im Tempel von Simeon schwungvoll in die Höhe genommen wird, während Maria die Opfertauben in der Hand hält – in enger Nachbarschaft von Kelchen und Tafeln. In der Domschatzkammer gibt es neben diesen frühen Fotodokumenten sogar Bücher, Urkunden und andere Karl und Kelch (r.): Aachens heilige Schätze. Foto: Pit Siebigs Schatzschrank (gebaut 1873) mit wiederverwendeten gotischen Gemälden als Türen Bucheinband eines Messbuches, Aachen 1873 Blick in einen der Schatzschränke (gebaut 1873) in der Karlskapelle, ganz links das Armreliquiar vom Titelbild 150 Jahre Domschatzkammer

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