BAD AACHEN 01-2024

18 | BAD AACHEN 01/24 STADTHISTORIE 1210 Jahre nach seinem Tod gibt der Frankenherrscher der Welt noch Rätsel auf: Bis heute weiß niemand, wo er am 28. Januar 814 bestattet wurde. Wäre Einhard doch nur ein wenig konkreter geworden... Von Lydia Konnegen Jahr für Jahr ziehen tausende Besucher aus ganz Europa am Schrein Karls des Großen im Aachener Dom vorüber, immer mit dem Gedanken, am Grab eines der mächtigsten mittelalterlichen Herrscher zu stehen. Seit 1210 Jahren ist Karl in der Aachener Marienkirche bestattet, aber nur etwas mehr als 800 Jahre in seinem vergoldeten Schrein. Hier hinein wurde er erst 1215 im Beisein von Friedrich II. umgebettet. Dessen Großvater Friedrich Barbarossa hatte 1165 erlebt, wie die ursprüngliche Grabstätte des ersten west- römischen Kaisers des Mittelalters geöffnet und die Gebeine aus Anlass der Heiligsprechung des Herrschers entnommen worden waren. Seitdem steht nun die Frage im Raum, wo sich das erste Grab Karls des Großen denn befunden hat? Die nächste wichtige Nachricht zum Grab Karls des Großen stammt dann aus dem frühen 11. Jahrhundert. Im Zentrum steht Otto III., ein großer Verehrer Karls des Großen, der im Jahr 1000 das Grab seines berühmten Vorgängers öffnen lassen wollte. Nur leider konnte ihm niemand mehr sagen, wo sich die Grabstätte befand, weil diese in Vergessenheit geraten war. Es bedurfte einer Eingebung Ottos, an welcher Stelle der Boden in der Kirche zu öffnen sei, um das Grab zu finden. Was dann folgte, klingt fantastisch: Entdeckt wurde ein unterirdischer Raum, in dem Karl nahezu unversehrt sitzend auf seinem Thron aufgefunden wurde. Nur ein Stück der Nase fehlte und die Fingernägel waren durch die Handschuhe hindurch gewachsen. Otto persönlich vervollständigte die Nase mit einer goldenen Prothese und schnitt dem Leichnam die Fingernägel. Danach wurde das Grab wieder verschlossen und geriet bis zur Heiligsprechung im 12. Jahrhundert erneut in Vergessenheit. Zu einem späteren Zeitpunkt nach der Umbettung der kaiserlichen Gebeine ist in der Marienkirche im südöstlichen Joch des Umgangs die Karlsmemorie bezeugt, die unter anderem den römischantiken Proserpinasarkophag aufnahm, der heute in der Domschatzkammer steht. Sie galt noch im 16. Jahrhundert als die ursprüngliche Grablege Karls, wurde dann aber 1788 abgerissen, weil man sie nur als Denkmal interpretiert hatte, das bei den Gottesdiensten im Weg gestanden hatte. Mit dem Einzug der französischen Revolutionstruppen im Jahr 1794 begann die Suche nach dem Karlsgrab von Neuem. Ganz in Proserpinasarkophag in der Domschatzkammer: Der römisch-antike Sarkophag gilt als erste Grablege Karls des Großen. Foto: Domschatzkammer Aachen/Pit Siebigs Karls verlorenes Grab Karlsschrein im Dom: Hier liegt seit 1215 der größte Teil der noch erhaltenen Gebeine Karls des Großen. Foto: Domkapitel Aachen/A. Steindl Rethelfresko im Rathaus: Alfred Rethel zeigt die legendäre Graböffnung durch Kaiser Otto III. im Jahr 1000. Foto: Stadt Aachen/A. Steindl Leider ist die Berichterstattung des Mittelalters zu diesem Thema nicht sehr aufschlussreich, denn sie lässt so manches Detail zum Ort und zur Gestaltung der ursprünglichen Grablege Karls vermissen. Was seinerzeit als nicht wichtig erachtet wurde, hat spätere Forschergenerationen auf der Suche nach dem ersten Karlsgrab zur Verzweiflung gebracht. Soweit sogar, dass Pläne entstanden, das Grab Karls im Zentrum der Kirche nachzubauen. Aber der Reihe nach. Zunächst ist die Quellenlage gar nicht so schlecht. Einhard, Zeitgenosse und Biograf Karls des Großen, hat die letzten Tage im Leben des Herrschers, seinen Tod und sogar die Bestattung überliefert. Demnach erkrankte Karl im Januar 814 während eines Aufenthalts in seiner Lieblingspfalz Aachen. Trotz eindringlicher Empfehlungen seiner Ärzte verbesserte sich der Gesundheitszustand nicht und Karl starb nach sieben Tagen am 28. Januar. Überraschend ist, was dann passierte: Innerhalb kürzester Zeit, präzise gesagt, innerhalb von fünf Stunden wurde Karl in seiner Aachener Kirche bestattet. Etwas später entstand über dem Grab ein Bogen mit einer figürlichen Darstellung des Kaisers sowie einer Inschrift, in der Karl als fränkischem Herrscher gedacht und die Anzahl seiner Regierungs- und Lebensjahre erwähnt wird. An welcher Stelle sich das Grab befand, ob über oder unter der Erde – Einhard ließ es offen und schuf damit Raum für Spekulationen.

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