8 | BAD AACHEN 01/24 Dombaumeister! Ein Amt mit vielen Facetten. Mit Aufgaben. Mit Herausforderungen. Mit Privilegien. Wer würde sich nicht wünschen, einmal die Kirche Karls des Großen nur für sich zu haben? Den Atem der Historie hautnah zu spüren? Dr. Jan Richarz könnte es! Seit einem Jahr ist er Dombaumeister am Hohen Dom zu Aachen. Doch der Bauhistoriker hat einen anderen Blick auf seine Kathedrale, weniger idealisierend, eher realistisch: „Der Dom ist ein Ort, der mit Menschen erst so richtig wirkt, ich muss da gar nicht alleine sein.“ Der 42-Jährige steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Ruhig und überlegt hat er sich in den vergangenen Monaten ein Bild von dem Bauwerk gemacht, das die UNESCO 1978 als erstes deutsches in ihre Welterbeliste aufgenommen hat. Dabei war das Jahr 2023 turbulent. Heiligtumsfahrt als Feuertaufe. Da hatte der Stolberger gleich zu Beginn alle Hände voll zu tun. Als THWler im Ehrenamt weiß er damit umzugehen. Und so hat sich Jan Richarz, der in allem so ganz anders ist als sein langjähriger und beliebter Vorgänger Helmut Maintz, ohne viel Aufheben etabliert, seine Expertise bestätigt und die Herzen der Aachener gewonnen. Dass er zudem ein akribischer Fachmann ist, zeigt seine Analyse zum Istzustand des Bauwerks: „Gut mit Abstrichen“, sagt er ohne Vorwurf, denn er weiß: „Wir können nie an allen Stellen zugleich arbeiten und müssen uns oft um das Wichtigste kümmern. Allen meinen Nachfolger/innen wird es wohl genauso ergehen.“ Der Chef der Dombauhütte zählt drei Stellen auf, die er dringend in Angriff nehmen muss: „Die Kellerdecke im Heizungskeller; das Dach der Karlskapelle; die Bleirinne an der Chorhalle.“ Tatendrang. Der Mann, der zuvor oft wissenschaftlich arbeitete, kann anpacken. Selbst Hand anlegen am Dom, das macht ihm Freude. Und Hand auf Herz, gibt es nicht doch Momente, wo er den Dom alleine genießt? „Wenn ich Zeit habe, erlebe ich die Bereiche, in denen das historische Mauerwerk sichtbar ist oder die Dachstühle intensiv für mich. Schön ist es auch, bei Sonnenaufgang oder -untergang oben zu sein.” Dombaumeister, ein Amt, ein Mann – zwei, die sich gefunden haben! cf Ein Jahr Dombaumeister in Aachen: Ihr Fazit? Positiv, vielfältig, erfolgreich, erfahrungsreich, anstrengend. Was zeichnet den Aachener Dom für Sie besonders aus? Für einen Bauhistoriker ist der Aachener Dom etwas Besonderes. Wo sonst kann man derart viele Bauphasen und -stile an nur einem Gebäude ablesen? Welches Bauwerk hat eine so hohe historische Bedeutung als Krönungskirche, Wallfahrtsort, Welterbe? Die Spannbreite der Nutzung als Gotteshaus und Kulturort, dazu die enge Verbindung mit der Wissenschaft und dem Handwerk: Er ist für Aachen ein Identitätsanker, für viele Menschen aus aller Welt eines der wichtigsten Bauwerke. Er hat Erdbeben, Stadtbrand und Kriege überstanden. Er ist gebaute und gelebte Geschichte und in Aachen haben alle Menschen irgendeine Bindung an ihn. Kennen Sie mittlerweile jeden Winkel in der Kathedrale? Es gibt noch den einen oder anderen Zwickel in den Dächern, an den man nur von außen gesichert drankommt, und ich bin nicht durch alle Lüftungskanäle durch, ansonsten denke ich, habe ich schon alles gesehen, was man direkt mit dem Auge erfassen kann. Welchen Wunsch haben Sie an die Aachener, aber auch an alle Gäste, die das Gotteshaus besuchen? Wir erleben viele spannende und positive Begegnungen, doch ein so großer Anziehungspunkt für mehr als eine Million Menschen braucht Regeln, damit der Ablauf funktioniert und wir alle, die hier am Dom arbeiten, unsere Aufgabe gut und vor allem auch gut gelaunt meistern können. Mir ist es wichtig, dass man unserem Personal und dem Bauwerk selbst mit Respekt begegnet. Von den Menschen in Aachen wünsche ich mir, dass sie uns vertrauen: Wir kümmern uns wie eh und je um den Dom. Er ist über 1200 Jahre alt und hat vieles mitgemacht. Er ist mit uns geduldig und wir wollen ihn daher genauso geduldig pflegen, so gut es irgendwie geht. VORGESTELLT Foto: Domkapitel Aachen/Andreas Steindl FRAGEBOGEN Geburtsdatum: 1981 Geburtsort: Düren Familienstand: verheiratet, zwei Kinder Beruf: Dombaumeister Hobbys: Dombaumeister ist man immer. Gelegentlich bleiben: Lesen, Natur, Ehrenamt im THW Dr. Jan Richarz Der Dom & die Geduld 365 Tage Dombaumeister – Feuertaufe im Rücken und Sanierungen voraus.
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