71 RADFAHR-GESCHICHTEN AUS DER FAHRRAD-GESCHICHTE oberhalb der Landungsbrücken liegt. Welch ein Blick auf den betriebsamen Hafen. Am nächsten Tag besuchten wir den Tierpark Hagenbeck, von dem mir meine Eltern schon immer viel erzählt hatten. Hafenrundfahrt, vorbei an den großen Schiffen, die zahlreich im Hafen lagen. Das waren Erlebnisse für uns junge Menschen. Mit der Reeperbahn konnten wir noch nichts anfangen, die ließen wir im Besichtigungsprogramm aus. Nach zwei Übernachtungen in der JH – wir schliefen dort in großen Sälen – radelten wir nach Lübeck. Wir zelteten direkt am Ostseestrand auf der Halbinsel Privall. Neben unserem Zeltplatz der Grenzzaun zur Sozialistisch Besetzten Zone (SBZ) – DDR durfte man im Westen (Bundesrepublik Deutschland) nicht sagen. Wir liehen uns Paddelboote und paddelten raus auf die Ostsee. Auf beiden Seiten wurde die Grenze überwacht – nur nicht auf die andere Seite kommen! Es war lausig kalt. Weiterfahrt nach zwei Tagen in die Holsteinische Schweiz; dort zelteten wir am Kellersee bei Malente-Gremsmühlen. Wir kochten uns Suppe auf dem kleinen Benzinkocher – im Zelt, weil es draußen zu nass war. Wir wagten es, bei der Kälte und den niedrigen Wassertemperaturen im Kellersee zu baden und wollten zum anderen Ufer schwimmen, das waren etwa 600 m. Doch wegen eines Schilfgürtels kamen wir nicht ans Ufer und wir mussten zurück. Wir froren erbärmlich. Hinzu kam bei mir – bedingt durch das kalte Wasser – eine Zerrung im Bein. Nur noch mühsam konnte ich schwimmen. Aber ich kämpfte, obwohl meine Kräfte nachließen. Absaufen wollte ich nicht! Meine Freunde Erich und Dieter erreichten vor mir das rettende Ufer und ich kämpfte noch, man kann das wohl sagen, ums Überleben. Auch ich schaffte es! Im Zelt wickelten wir uns in unsere Decken ein und bibberten wohl mehrere Stunden. Kein besseres Wetter in Sicht und so kam der Entschluss, nicht mehr bis Flensburg und auf die Insel Sylt zu fahren. Wir kürzten ab und über Brunsbüttel, Cuxhaven, Bremen ging es nach Hause. Ende gut – alles gut. Wir waren froh, die erste Radtour geschafft zu haben und unsere Eltern waren erleichtert, dass wir wohlbehalten wieder bei ihnen waren. Hätten sie die Dramatik mitbekommen, wie wir uns aus dem kalten Kellersee gerettet haben, sie hätten uns sicher nie wieder fahren lassen. Über den Winter 1955/1956 wurde schon die nächste Tour geplant. Klaus Ridder Zunächst im Lkw nach Hamburg Zelten an der Ostsee
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