Rückenwind 04/2023

11 VERKEHRSPOLITIK Gesetz, das seit seiner Einführung vor allem den motorisierten Individualverkehr im Blick hat. Welch enge Grenzen es setzt, zeigt sich auch vor Ort immer wieder: • Der Rhein-Sieg-Kreis als Straßenverkehrsbehörde darf trotz zahlreicher Forderungen z.B. der Gemeinde Wachtberg auf den schmalen Kreisstraßen kein flächendeckendes Tempo 70 einführen, weil das geltende Straßenverkehrsgesetz und die daraus abgeleitete StVO das nicht zulassen. • Die Stadt Bonn darf aus eben diesem Grund innerorts nicht Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit anordnen; über 700 Kommunen in Deutschland fordern das aber inzwischen. Leitlinie des bisherigen Straßenverkehrsrechts und auch der Rechtsprechung ist die „Leichtigkeit und Sicherheit“ des Verkehrs, sprich des Straßen-, gemeint Kfz-Verkehrs. Bei realem 10 bis 30 Prozentanteil des Radverkehrs in den Kommunen ist diese Ausrichtung nicht mehr zeitgemäß. Erst recht nicht, wenn zum Erreichen der Klimaziele der Umweltverbund aus ÖPNV und Rad 80 Prozent der Mobilität erbringen soll. Folgerichtig haben die die Bundesregierung bildenden Parteien im Koalitionsvertrag vereinbart: „Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“ Der Rückenwind befragte Roland Huhn, seit 2004 hauptberuflich als Rechtsreferent in der ADFC-Bundesgeschäftsstelle tätig, erst in Bremen, dann in Berlin. Roland besitzt neben zwei OldtimerRädern, die älter sind als das StVG, ein WandererTourenrad und ein PatriaRennrad. ? Rückenwind: Was ist neu in den Entwürfen des Bundesverkehrsministeriums? ! Roland Huhn: Auf der Gesetzesebene, im StVG, wird eine neuartige Grundlage für Verordnungen geschaffen. Regelungen der StVO können künftig „auch erlassen werden zur Verbesserung des Schutzes der Umwelt, darunter des Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung.“ Der Änderungsentwurf der StVO nutzt diese Ermächtigung, aber nur begrenzt: Der Nachweis zwingender Sicherheitserfordernisse nach § 45 Abs. 9 StVO soll künftig entfallen, wenn die „Bereitstellung angemessener Flächen für den fließenden und ruhenden Fahrradverkehr sowie für den Fußverkehr“ mit den neuen Zielen des StVG begründet wird. Damit kann ein wesentliches Hindernis für die Förderung des Radverkehrs aus dem Weg geräumt werden, besonders für die Umwandlung in Radfahrstreifen und Fahrradabstellplätze. ? Ist in den Gesetzentwürfen die „Leichtigkeit des Verkehrs“ nicht mehr das Maß aller Dinge? ! Leider nur auf den ersten Blick. Die Anwendung der neuen Gesetzesziele steht in StVG und StVO Foto: ADFC-Bundesverband ADFC-Rechtsreferent Roland Huhn

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