Rückenwind 01/2024

30 RAD IM ALLTAG Halb Deutschland radelt zur Arbeit! Wirklich halb Deutschland? Wie man sich bei Statistiken irren kann Abbildung Screenshot von https://de.linkedin.com/company/bmdv-bund Vorsicht im Straßenverkehr und bei Prozentangaben: Das Bundesverkehrsministerium hat es in die „Unstatistik“ des Monats geschafft. Jeden Monat küren der Bochumer Ökonom und Vizepräsident des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Thomas Bauer, der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer und der Dortmunder Statistiker Walter Krämer die Unstatistik des Monats. Im Oktober 2023 wurde diese Ehre einem Beitrag auf dem LinkedIn-Portal des Bundesverkehrsministeriums zuteil. Darin zeigte eine Grafik unter der auffälligen Überschrift „45 Prozent fahren mit dem Rad zur Arbeit“, dass das Fahrrad „mehr als nur ein Freizeitspaß“ sei. „Fahrräder und E-Bikes erobern unseren Alltag“, behauptet das Verkehrsministerium (BMDV). In der Tat wäre es bemerkenswert, wenn trotz der traditionell recht autofreundlichen Politik inzwischen fast halb Deutschland mit dem Rad zur Arbeit führe, schreiben die Wissenschaftler und zitieren den ADFC, der davon ausgehe, „dass nur jeder zehnte Deutsche mit dem Rad zur Arbeit fährt.“ Ein weiterer Beleg: „Auch das Statistische Bundesamt kommt bei der Auswertung des Mikrozensus 2020 zu dem Ergebnis, dass nur 10,5 Prozent aller Berufspendler mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.“ Um dann zu fragen: „Sind diese Zahlen denn schon so veraltet – und feiert das BMDV etwa einen unbemerkten Erfolg der Ampel-Regierung in Richtung Verkehrswende?“ Die Aufklärung: Das Ministerium bezieht sich auf einen Bericht des Versicherungsanbieters „Wertgarantie“. In dessen „Fahrrad- und E-Bike-Report“ heißt es: „Den Weg zur Arbeit absolvieren 45,1 % mit dem Rad.“ Diese Prozentangabe bezieht sich jedoch keinesfalls auf alle Arbeitnehmer. Befragt wurden lediglich 1501 „Fahrradfahrende“ und „Pedelec-Fahrende“. Wie regelmäßig diese Befragten ihr Rad nutzen und ob sie täglich, monatlich oder nur wenige Male im Jahr ihren Arbeitsweg auf zwei Rädern zurücklegen, lässt sich dem „Wertgarantie“-Bericht nicht entnehmen. Dass unter denjenigen, die mindestens einmal pro Woche ihr Fahrrad benutzen, knapp die Hälfte damit zur Arbeit fährt, ist erfreulich, aber keine Sensation. Bei Prozentangaben sollte die erste Frage deshalb stets lauten: Prozent wovon? Fehlt diese Angabe, sollten bei Ihnen alle Fahrradglocken klingeln. In der Reihe Unstatistik des Monats sind schon zahlreiche Beispiele für das Winston Churchill zugeschriebene Bonmot geliefert worden: »Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe«. Bernhard Meier www.unstatistik.de

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