Rückenwind 04/2024

Modellautos auf dem Rheinauen-Flohmarkt in Bonn 26 VERKEHRSPOLITIK KOMMENTAR Die erste Reaktion war ein ungläubiges Staunen, ob Verkehrsminister Volker Wissing die Bedeutung der Klimakrise und die daraus erwachsene Verantwortung jetzt doch verstanden hat. Fahrverbote für Autos am Wochenende hatte Wissing angedroht. Anlass für die Ankündigung war die Berechnung des Bundesumweltministeriums, wonach zur Erfüllung der Klimaziele der Verkehr noch 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen muss. Das könne man nur durch Fahrverbote erreichen, so Wissing. Statt zu handeln, forderte er eine Reform des Klimaschutzgesetzes, wonach nicht mehr Sektorenziele mit jahresgenauen CO2-Grenzwerten gelten sollen, sondern eine mehrjährige Gesamtrechnung, wonach Emissionen untereinander verrechnet werden können. Die Folge: Die Fraktionen der Ampel-Koalition haben sich auf eine Reform des 2019 beschlossenen Bundesklimaschutzgesetzes geeinigt. Das alte Gesetz sah vor, dass jeder Sektor wie Verkehr oder Energieversorgung seine Ziele erreichen muss. Gelingt das in einem Jahr nicht, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen. Das ist nun vom Tisch. Verkehrsminister Wissing kann sich jetzt zurücklehnen: Selbst wenn die Gesamtbilanz nicht stimmt, ist keine direkte Nachsteuerung notwendig. Erst wenn der jährliche Projektionsbericht des Umweltbundesamts zweimal in Folge ergibt, dass die Klimaziele für das gesamte Jahrzehnt in Gefahr sind, muss die Regierung ein Sofortprogramm vorlegen – wieder als Ganzes, nicht das konkret zuständige Ministerium. „Statt Verbindlichkeit und Zuständigkeit, gibt es jetzt geteilte Verantwortungslosigkeit“, so Olaf Bandt vom Umweltverband BUND. Dabei gibt es Maßnahmen, die kurzfristig wirken, etwa ein Tempolimit: 11 Millionen Tonnen CO2 können jährlich eingespart werden, wenn Tempo 100 auf Autobahnen gelten würde, Tempo 80 auf Landstraßen und Tempo 30 in Städten. Hinzu kommen überfällige Maßnahmen wie das Streichen des Dieselprivilegs und der Ausbau der Bahn. Nicht zu vergessen, der notwendige Ausbau der Radinfrastruktur. Es muss Druck gemacht werden, damit die Sektorziele erreicht werden. Übrigens droht ein finanzielles Desaster, wenn der Verkehrssektor weiter zu klimaschädlich bleibt: Hält ein EU-Staat die Ziele nicht ein, muss er anderen Ländern Emissionsrechte abkaufen. Und was hat das mit Bonn zu tun? Zum einen fehlen (Bundes)mittel zum Ausbau der Radinfrastruktur. Zum anderen: Wer die massive Förderung von Rad und ÖPNV sowie Klimaneutralität bis 2045 erreichen will, muss auch ans Auto ran – politisch und persönlich: 56 % der Pendler in unserer Region nutzen den eigenen Pkw für die Fahrt zur Arbeit, obwohl 53 % von ihnen nur Entfernungen von bis zu 10 km zurücklegen! Und was Fahrverbote betrifft: In Paris, Mexiko-City oder Athen gibt es sie unter bestimmten Bedingungen bereits heute. Reinhard Griep Foto: Angie D., Scheuren/Flickr – Vielen Dank Ans Auto ran

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