Alltägliche Szenen in der Bonner Fußgängerzone: Radfahrer nutzen Fußgänger als Slalomstangen. Man darf das: Genüsslich am Eis schlecken, die Welt um sich vergessen, unverhofft stehen bleiben oder einen Schritt zur Seite gehen, um das neue Kleid im Schaufenster zu bewundern. Fußgängerzonen sind Orte zum Lustwandeln. Wo ich nicht aufpassen muss, über den Haufen gefahren zu werden. Warum ich das betone? Ich wohne und arbeite in der Bonner Fußgängerzone und erlebe hautnah, wie sich seit Corona das Klima zwischen Fußgängern und Radfahrern verändert hat. Sogar ältere Leute mit Einkaufskorb auf dem Gepäckträger fahren wie selbstverständlich durch enge und stark frequentierte Straßen wie Stern- und Remigiusstraße, in der Bonngasse durch Touristentrauben vor dem Beethovenhaus, durch Brüdergasse und Poststraße. Alle sind für den Radverkehr gesperrt. Dass hier Fußgänger Vorrang haben, ist keine Schikane, sondern unerlässlich. Dafür sind ja andere, breitere Routen und Plätze freigegeben. Und nein, auch Radfahrerinnen und Radfahrer haben nicht das Recht, vor jedem Schaufenster vorzufahren. Es ist noch nicht lange her, da habe ich in jedem Interview Journalisten vor dem Pauschalisieren gewarnt und auf die Radfahrer hingewiesen, die sich wirklich langsam und rücksichtsvoll durch die freigegebene Friedrichstraße bewegen. Dort funktioniert das Miteinander – abgesehen von den unverbesserlichen Lieferdiensten mit ihren bärenstarken Fahrrädern. Aber immer mehr Radfahrer – Frauen und Männer, junge und alte gleichermaßen – betrachten Fußgänger als Slalomstangen. Leider sind es nicht mehr Einzelfälle, dass man von vorbeifahrenden Radfahrern hautnah überholt wird. Und geht man nicht zur Seite, so wie ich es kürzlich in der Bonngasse ausprobiert habe, wird man vom Radler touchiert und anschließend lautstark befragt, warum man nicht zur Seite gegangenen sei. Ich weiß, dass auch diese Rüpel auf zwei Rädern eine Minderheit sind und sich die meisten Radler korrekt verhalten. Aber diese Minderheit von Flegeln ist mir zu groß geworden und sorgt dafür, dass sich das Gefühl unter vielen Passanten breit macht, dass Radler alles dürfen. Und man eben nicht mehr lustwandeln kann, wo man es eigentlich dürfte. Was wir tun können? Ich werde weiterhin als Fußgänger die Radler, die in der Sternstraße Slalom fahren, mit dem Satz ansprechen: „Sie wollten doch sicher gerade absteigen ...“ Und ich versuche dabei zu lächeln. Axel Mörer Fotos: Axel Mörer Radler, die dem Radeln schaden
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