39 Kein Anhängsel Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion, gelegentlich – aber sehr gerne – lese ich Ihre Broschüre Rückenwind. Aufmachung, Inhalt und das Ziel und die Absicht, das Radfahren als Bereicherung des täglichen Lebens zu propagieren, gefallen mir gut. Was mir aber nicht gefällt und mich zunehmend stört, ist Ihre Schreibweise in verschiedenen Artikeln, mit der Sie uns Frauen im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Blickfeld nehmen und auf die 2 bzw. 5 Buchstaben „:in“ oder „:innen“ reduzieren und damit diskriminieren. Ich möchte mich nicht als minimiertes Anhängsel an ein maskulines Nomen wiederfinden. Ich möchte neben dem männlichen „Radfahrer“ respektvoll, gleichberechtigt und vollwertig auch als „Radfahrerin“ gesehen und gehört werden. Ich unterstütze aktiv die Zielsetzung, auch in der Sprache Frauen sichtbarer zu machen und damit ihren gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft zu verdeutlichen. Dieses Ziel wird aber nicht erreicht, wenn man sie nur als Buchstabenanhängsel an ein maskulines Nomen in Erscheinung treten lässt. Das ist kontraproduktiv. Als Argument für die Schreibweise und Verwendung des Sonderzeichens Zeit- und Platzgründe anzuführen, wird wohl angesichts der Herabwürdigung und Sprachvergewaltigung nicht ernsthaft von Ihnen ins Feld geführt. Glücklicherweise ist zu beobachten, dass sich zunehmend seriöse digitale und Printmedien von dieser Schreib- und zum Teil auch Sprechweise getrennt haben, die gemäß mehreren Umfragen eine eindeutige Ablehnung in der Bevölkerung erfährt und zu einer Art Spaltung in der Gesellschaft geführt hat. Sie sollten sich an dieser sprachlichen Polarisierung nicht beteiligen. Mit freundlichen Grüßen Petra Kaiser Reaktion der Redaktion Liebe Leserinnen und Leser, Ja, auch wir sind nicht ganz glücklich mit dieser „Anhängselschreibweise“, dazu noch mit Sonderzeichen nach Belieben als schicke Anhängerkupplung (*, :, /, \, |). Das tätowiert geradezu ein Jahrhunderte altes, überkommen geglaubtes Gesellschaftsbild in jeden Text: Der großgeschriebene Mann geht vorneweg und schleppt die kleingeschriebene, reduzierte Weiblichkeit hinter sich her. Ja, und auch wir sind kürzlich bei der Substantivierung der „vielgeschlechtlichen Handelnden“ in eine böse Falle getapt: Wollten wir doch über ein Gespräch mit Busfahrern und Busfahrerinnen schreiben, sprachen aber sorg- und gedankenlos über „Busfahrende“; und schon war’s passiert, denn das konnten ja auch die Passagiere sein. Ja, wir werden uns bemühen, aufmerksamer zu Werke zu gehen, was das Gendern angeht. Aber wir bitten auch in anderer Hinsicht um Verständnis: Der Rückenwind ist ein demokratisch aufgebautes Medium. Hier schreiben unzählige Autorinnen und Autoren aus der Region, und jede und jeder von ihnen hat eine eigene Einstellung zum Gendern (und auch zu vielen anderen Dingen). Und wir von der Redaktion wollen aus purem Respekt so wenig wie möglich den Charakter der Artikel „überschreiben“. Wir werden zwar mit Fingerspitzengefühl an das Thema herangehen, aber es werden dennoch mitunter mal wieder Schreibweisen darunter sein, die zur Eigenheit des/der jeweiligen Autors/Autorin gehören. Wir bitten deshalb im Voraus um Nachsicht. Für die Rückenwind-Redaktion Gert Heimbold Und was meinen Sie? Schreiben Sie Ihre Meinung an: REDAKTIONELLES LESER*INNENBRIEFE VON RÜWI-LESENDEN
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