BAD AACHEN 07-2021

4 | B AD A ACHEN 07/21 KULTUR Auf den Spuren des Genies Zur Krönung Karls V. weilte Albrecht Dürer 1520 in Aachen. Das Suermondt-Ludwig-Museum begeistert 501 Jahre später mit einer großen Ausstellung. Eine B AD A ACHEN -Vorschau von Dr. Karola Dahmen. D er Tourist von heute begibt sich auf Reisen mit Smartphone und Kamera im Gepäck, gut 500 Jahre zuvor fiel die Wahl der Mittel auf Pinsel, Stift, Feder und Zeichenblock. Was für ein Glück! Die dadurch vom 12. Juli 1520 bis Ende Juli 1521 entstandenen Gemälde, Zeichnungen und Schriften Albrecht Dürers (1471–1528) legen Zeugnis ab für das Ausnahmetalent eines Mannes, dem das Suermondt-Ludwig-Museum (SLM) unter dem Titel Dürer war hier. Eine Reise wird Legende ab 18. Juli eine Ausstellung widmet. Rund 90 Meisterwerken Dürers werden ebenso viele Werke von Künstlern zur Seite gestellt, die Dürer selbst trafen oder die von ihm inspiriert wurden. Knapp 190 Exponate aus den renommiertesten Museen und Privatsammlungen Europas und den USA werden für drei Monate in einem ausgefeilten Arrangement im Museum an der Wilhelmstraße präsentiert, ehe sie direkt im Anschluss daran in einer modifizierten Version weiter nach London wandern, wo sie in der National Gallery zu sehen sein werden. Dürers Reise, seine Kunst und die mit ihr einsetzende Rezeptionsgeschichte sind die drei großen Themen- bereiche, die in Aachen entdeckt werden können. Es ist eine offen- barungsreiche Reise, die den Besucher mit Dürer von Nürnberg aus über die Rheinlande nebst einem krönungsreichen Stopp in Aachen in die von den Habsburgern regierten Niederlande leitet, ehe sie erneut über Aachen wieder an ihren Ausgangspunkt führt. Ihr realer Anlass: für Albrecht Dürer 1520 kein angenehmer. Das liebe Geld Mag Dürer auch von Nürnberg 1513 zum ersten Ehrenbürger einer Stadt nördlich der Alpen ernannt worden sein, nach dem Tod Kaiser Maximilians I. (1459–1519) weigerte sich der Rat, ihm die verbürgte Jahresleibrente von 100 Gulden weiter auszuzahlen. Für Dürer eine Katastrophe! Um sich seine Zuwendungen neu bestätigen zu lassen, entschloss sich der damals knapp 50-Jährige mit seiner Frau Agnes zu der erwähnten Reise. Kein leichtes Unterfangen. Hier, so seine Hoffnung, würde er Fürsprecher finden, um sein Anliegen dem neu gewählten Kaiser Karl V. im Oktober 1520 vortragen zu können. Wo? Natürlich in Aachen, wo sonst! Auf Sightseeingtour bei unseren Nachbarn Antwerpen, Brügge, Gent, Brüssel – um nur einige Stationen seiner Reise zu benennen – heute wie selbstver- ständlich dem König- reich Belgien zugehörig, lag dessen Gründung 1520 in noch weiter Ferne. Seit der Hochzeit Kaiser Maximilians I. von Habsburg mit Maria, der Tochter Karls des Kühnen, Herzog von Burgund, im Jahr 1477 in Brüssel regierten die Habsburger das Gebiet. Karl V., geboren in Gent, aufgewachsen am burgundischen Hof, stand am Beginn einer Expansionspolitik, die zu einer Vergröße- rung der österreichischen Erblande seines Großvaters führen sollte. Dürer wusste, dass Adel und Kaufleute hier wohlhabend waren. Sie besaßen Einfluss, unterhielten Handelsbeziehungen zu Ländern fern- ab von Europa. Wo, wenn nicht hier, im neuen Schmelztiegel der Kulturen, pulsierte das pralle Leben?! Kein Wunder also, dass Dürer sich an all dem Neuen nicht satt- sehen konnte und den Zeichenstift nicht mehr aus der Hand legen wollte. Innerhalb kürzester Zeit quollen seine Tage- und Skizzen- bücher über von Schilderungen und Zeichnungen. So präsentiert das Suermondt-Ludwig-Museum unter anderem eine seiner schöns- ten und kunsthistorisch gesehen bedeutendsten Landschaftsdarstel- lungen: Der Hafen von Antwerpen beim Scheldetor . Im August 1520 entstanden, besticht sie durch ihre zeichnerische Virtuosität. Mit wenigen Strichen gelingt es Dürer auf die Diagonale und Horizon- tale beschränkt, Raum, Tiefe, Weite und Atmosphäre zu erzeugen. Modische Neuheiten anno 1520/21 Wer sich im 16. Jahrhundert für das Thema Mode interessierte, gar wissen wollte, was man in anderen Ländern auf der Straße trug, der musste sich entweder selbst den Strapazen einer Reise unterziehen oder das Glück haben, Bilder zeitgenössischer Künstler anschauen zu können. Verständlich, dass Dürer auf seiner Reise immer wieder den Stift zückte, sobald ihn modetechnisch etwas interessierte. Mit Argus- augen hielt er jede Kleinigkeit fest. Egal, ob in dem in der Ausstellung zu sehenden Bild Junge Frau in niederländischer Tracht , zwischen dem 26. und 30. Mai 1521 gemalt, oder in der hier gezeigten Jan Antoon Neuhuys, Albrecht Dürer zeichnet den Antwerpener Hafen, 1873, Museen der Stadt Nürnberg, Albrecht Dürer-Haus, Nürnberg, © Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen (Eigentum Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung) Albrecht Dürer, Der Hafen von Antwerpen beim Scheldetor, 1520, Albertina, Wien, © Albertina, Wien Albrecht Dürer, Drei Frauen aus Livonien in Wintertracht, 1521, Musée du Louvre, Département des Arts graphiques, Sammlung Edmond de Rothschild, Paris, © bpk / RMN – Grand Palais / Thierry Le Mage

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