BAD AACHEN 09-2023

4 | BAD AACHEN 09/23 „ KULTUR Elena Tzavara hat sich gegen 58 weitere Bewerberinnen und Bewerber durchgesetzt. Jetzt leitet sie das Theater Aachen als neue Generalintendantin. Und sie bringt Ideen mit, die manches auf den Kopf stellen... Von Bernd Mathieu Zwischen Hauptbahnhof und Büro.“ Das ist die Standortbeschreibung. Ihre geografische. In zentraler Lage wohnt sie, die Neu-Aachenerin. Neu? Die Stadt kennt sie besser, als manche vermuten. Oft ist die neue Generalintendantin schon hier gewesen. Ihre Bewerbung für das Theater war sozusagen ein Plädoyer für die urbane Architektur dieser Stadt, ihre Gesellschaft und Potenziale. Wir sitzen in der Lounge eines Hotels mit Blick aufs Theater. Was hat sie gereizt an dieser Stadt, an diesem Theater, bestätigt sich der Eindruck, dass es die richtige Entscheidung war? Sie nippt kurz an ihrem grünen Tee und beginnt mit einem „Also“. Voilà: „Also, was mich sehr bestätigt, ist die positive Resonanz auf das Programm und auf die Neugestaltung. Es freut mich, dass sich Leute damit auseinandersetzen, Fragen stellen und man erklären kann, was man beabsichtigt.“ Sie garantiert gleichermaßen die Erfüllung der Ansprüche von Kindern wie von Erwachsenen. Sie lässt daran keinen Zweifel, stellt es selbstbewusst in den Raum. Sie macht es zu ihrem Qualitätssiegel, an dem sie sich messen lassen will und muss. Das neue Programmheft, die neue Farbe – sie kommen als neongelbes Testat daher. Wird das Theater unter ihrer Führung also eine grelle Angelegenheit? „Nach 18 Jahren wirkt es etwas schrill, stimmt. Die Farbe soll auf uns aufmerksam machen. Uns hat vor allem das Logo sehr gefallen.“ Es stellt Aachen teilweise auf den Kopf, zumindest das zweite A. „Das ist eine andere Perspektive“, sagt die Intendantin und formuliert damit in einem Satz den Anspruch für die erste Spielzeit und ihre Arbeit überhaupt. Einen Begegnungsort schaffen Nicht ausschließlich intellektuell heißt: neue Zielgruppen? „Auf jeden Fall. Wir möchten auch diejenigen ansprechen, die nicht ohne weiteres ins Theater gehen. Das sollte immer das Ziel sein.“ Junge Leute? „Auch, aber nicht ausschließlich. Wir meinen mit altersübergreifend Menschen, die es noch nicht geschafft haben, zu uns zu kommen. Es ist unsere Aufgabe, das Theater zu einem Begegnungsort zu machen, an dem sich jeder und jede willkommen fühlt und kulturelle Vielfalt und Teilhabe gefördert werden.“ Bei jeder Inszenierung gibt es im Programmheft eine Art Altersempfehlung. „Das ist besonders für das Format Familienvorstellung wichtig. Eine Familie kann für zehn Euro pro Kind (bis zum 18. Lebensjahr) in jeder Kategorie Platz nehmen.“ Spartenübergreifend geht es sofort bei der Spielzeiteröffnung los. Schauspiel- und Opernensemble sowie das Sinfonie- orchester agieren gemeinsam im Großen Haus. King Arthur oder Let Them Eat Chaos lautet der neugierig machende Titel der Semi-Oper von Henry Purcell und John Dryden mit Texten von Kae Tempest. Elena Tzavara gerät ins Schwärmen, überzeugt und überzeugend: „Kae Tempest ist die britische Literaturikone, die größte Dramatikerin unserer Zeit. Ihr Gedicht wird verschränkt mit der wunderschönen Musik von Henry Purcell.“ Und dann, es führt kein Frageweg daran vorbei, wird sie mit der finanziellen Situation eben auch des Theaters Aachen konfrontiert. Dass man demnächst auf Rücklagen zurückgreifen müsse – davon will sie nichts wissen. „Das ist keine nachhaltige Lösung.“ Hört sie noch keine schrillen Töne aus der Verwaltung, aus der Politik? „Ich vernehme noch keine Warnsignale. Mit dem positiven Elan, den ich jetzt habe, möchte ich dem Theater die Chance geben, diesen neuen Weg zu beschreiten – auch intern. Wir müssen erst einmal zeigen, für was wir stehen. Ich hoffe, dass die Menschen in Aachen neugierig sind und wir die Lust wecken, in dieses schöne Haus zu gehen. Der Prozess, wie man Theater zukunftsfähig und nachhaltig manövriert, ist gewiss schwierig. Dem stelle ich mich gern, für diesen bin ich hier angetreten.“ Angekommen in Aachen Aachen war vor ihrer Bewerbung für sie kein unbekannter Ort. „Ich wusste ziemlich viel, weil ich eine Recherche betrieben und mir angeguckt habe, was das für Leute in Aachen sind, was für Bevölkerungsschichten; die Demografie dieser Stadt, ihre Historie, sie sind so reichhaltig.“ Aachen kennt sie auch privat gut. „Eine meiner besten Freundinnen ist Aachenerin. Und meine Tante ist Aachenerin.“ Da lacht sie, als sei sie für diesen Moment selber Aachenerin. Was jetzt zutrifft auf der großen Bühne dieser Stadt. „Sie fühlt sich nicht fremd an, komischerweise…“ Elena Tzavara musste nicht lange über Berufswünsche nachdenken und entschied sich früh fürs Theater. „Ich fand es schon als Kind toll, Vorstellungen auf der Bühne zu erleben. Und ich habe viel Musik gemacht, selber viel auf der Bühne gestanden.“ In Hamburg war sie Abonnentin des Thalia-Theaters, das hat einen zusätzlichen Schwung ausgelöst. „Ich habe für den Beruf richtig Feuer gefangen, und meine Eltern konnten mich nicht bremsen.“ Der Studiengang Foto: Theater Aachen/ A. Steindl „Zeigen, für was wir stehen!“

RkJQdWJsaXNoZXIy MTM5Mjg=