307 der Gemeinderäte blieb im Wesentlichen auf die Prüfung der vom Bürgermeister vorgelegten Rechnung beschränkt. Sonst waren die Gemeindevertreter nur noch zur Beratung von Vorlagen der Regierung, zur Erhebung und Umlage der städtischen Steuern oder bei Prozessen, die die Rechte der Stadt betrafen, heranzuziehen. Entscheidungen konnten sie allein über die Nutzung von Gemeindeland und die Vergabe öffentlicher Arbeiten treffen.536 Die preußische Städteordnung sah dagegen eine mit legislativen Befugnissen in allen Gemeindeangelegenheiten ausgestattete Stadtverordnetenversammlung als Vertretung der gesamten Bürgerschaft vor und eröffnete den Bürgern eine Mitwirkung innerhalb des kollegial verfassten Magistrats. Zugleich nahm sie aber die Landgemeinden von dieser Reglung aus und unterwarf sie den Bestimmungen des Allgemeinen Preußischen Landrechts aus dem Jahre 1794. Für das Land hätte dies die Rückkehr zu einer ständisch gegliederten Gesellschaft mit eingeschränkter persönlicher Freiheit der Bauern537, einer nach Geburt und Vermögen gestuften politischen Teilhabe538 und persönlichen Vorrechten des Adels539 bedeutet. Die adeligen Gutshöfe wären wieder mit eigener Gerichtsbarkeit versehene Bezirke geworden, in denen der Gutsherr Recht sprach und die Gemeindevorsteher nach eigenem Gutdünken einsetzte oder entließ. Der unbestrittene Vorteil der französischen Gemeindeverfassung bestand aber gerade darin, die rechtliche Trennung zwischen Stadt und Land überwunden zu haben. Die Verwaltungsstruktur richtete sich seither allein nach der Einwohnerzahl. An die Stelle der vielen Territorien, Ämter, Unterherrschaften und Gerichtsbezirke waren leistungsfähige, räumlich geschlossene Verwaltungseinheiten getreten, die der veränderten Stadt-Umland-Beziehung des sich ankündigenden Industriezeitalters sehr viel besser Rechnung tragen konnten. Fabrikanten und Großkaufleute hatten ihre Manufakturen und Kontore längst aufs Land verlegt, um sich dem Zunftzwang der Städte zu entziehen. Die Stein`sche Städteordnung hätte sie hier dem wieder erstarkten Einfluss des grundbesitzenden Adels unterworfen. Die rheinische Gemeindeverfassung erlaubte den Bürgermeistern dagegen, nach den politischen und wirtschaftlichen Erfordernissen zu entscheiden. Nicht Demokratie war gefragt, sondern Effizienz, und zwar allein im Sinne des Großbürgertums. Die Bürgermeister und Beigeordneten der rheinischen Städte wurden auf Vorschlag des Landrats von der Regierung auf fünf Jahre ernannt.540 Da sich ihre Zuständigkeit, wie schon in französischer Zeit, auch jetzt nicht allein auf die Verwaltung der inneren Gemeindeangelegenheiten erstreckte, sondern zugleich die gerichtliche Polizei und die Führung des Personenstandsregisters umfasste, unterstanden die Bürgermeister zugleich der Justizverwaltung.541 Eine Anpassung des Amts an die Verhältnisse der östlichen Provinzen war somit eng an die Neuordnung des Justizwesens gebunden. Als dieser Fall im Jahre 1819 eintrat, hatte sich im Rheinland jedoch längst die Auffassung durchgesetzt, dass die nach französischem Vorbild gestaltete Bürgermeistereiverfassung trotz ihres Mangels an kommunaler Selbstverwaltung der Preußischen Städteordnung von 1808 vorzuziehen sei. Die wiederholten Versuche des preußischen Staates, die Gemeindeverfassung in den Rheinlanden den Verhältnissen der übrigen
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