318 dieser Katastrophe. Im April 1815 war in Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen. Es war die größte, jemals beobachtete Eruption.555 Eine Wolke vulkanischer Asche und Gase überzog bald die gesamte Nordhalbkugel der Erde. In den obersten Luftschichten hielten sich Staub und Schwefelverbindungen mehrere Jahre und verminderten die Sonneneinstrahlung. Die Folgen waren eine allgemeine Abkühlung, Unwetter und Überschwemmungen. Als sich die Missernte abzuzeichnen begann, stiegen bald die Preise für Lebensmittel. Hier liegen die eigentlichen Ursachen der Hungerkatastrophe. Die östlichen Provinzen Preußens waren von der Klimaverschlechterung weit geringer betroffen. Wenige Jahre zuvor hätten sie mit ihren Überschüssen leicht aushelfen können. Seit der „Bauernbefreiung“ von 1811 hatten hier aber viele Kleinbauern ihre Höfe aufgeben und abwandern müssen. Die Aufhebung der grund- und leibherrlichen Lasten hatte sich der Staat nämlich durch beträchtliche Zahlungen ablösen lassen, zugleich aber an alten Abgaben festgehalten. Reiche Bürger hatten das Land zu niedrigen Preisen aufgekauft, konnten es wegen der jetzt fehlenden Arbeitskräfte aber nur zum Teil bewirtschaften. Ein Drittel der Ackerflächen lag brach. Das Angebot ging zurück, die Preise stiegen. Spekulanten kauften das Korn auf und ließen so die Preise weiter steigen. In einigen Teilen Deutschlands erreichten die Preise den dreifachen Wert des Vorjahres. Schon früh warnten die Bürgermeister, die die drohende Gefahr vor Ort als Erste erkannten, vor der drohenden Hungersnot und schlugen Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung und Sicherstellung der Lebensmittelversorgung vor. Die Regierung ließ jedoch wertvolle Zeit untätig verstreichen.556 Erst am 10. Dezember 1816 verhängte der König eine Ausfuhrsperre für Getreide und versprach Getreidelieferungen aus den fruchtbaren Provinzen des Ostseeraumes.557 Die staatliche Hilfe war aber im Mai 1817 noch nicht im Rheinland eingetroffen. In mehreren Städten ergriffen die Bürger die Initiative und gründeten Brot- und Kornvereine. Sie sammelten Spenden, um davon in den Niederlanden und an der Ostsee Getreide einzukaufen.558 In Koblenz rief Joseph Görres am 30. Mai 1817 zur Gründung eines Hülfsvereins auf.559 In seinem Aufruf schilderte er die dramatische Lage, die in den Bergregionen der Eifel, des Hunsrücks und des Westerwaldes herrschte: „Seit Monaten schon nähren sich im Innern der Eifel viele Tausende von erfrornen Kartoffeln, aus denen sie Kuchen backen, die ein elendes Leben nothdürftig fristen, und diese letzte Nahrungsquelle will versiegen. Furchtbare Berichte laufen täglich von der Ahr herüber ein.“ Tambora Nasa, 2009
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