Enges Tal und weite Welt

319 In den Kreisen Ahrweiler und Adenau hatte die Hungersnot besonders harte Formen angenommen. In Adenau gab es bereits seit Februar 1817 tagelang kein Brot. Lebensmitteldiebstähle häuften sich, selbst wohlhabende Familien mussten ihre Habe versetzen, um Lebensmittel kaufen zu können. Zu schweren Arbeiten waren die Menschen nicht mehr in der Lage. Im Frühjahr berichtete der Landrat: „Die Leute fallen scharenweise in die Wiesen, um sich Krauter zu suchen – als einzige Nahrung! Klee. Die Blätter des Kohlsamens etc. werden gekocht und aufgezehrt. Es ist schrecklich, das Elend in der Nähe zu sehen. Auch zu dem höchsten Preise ist häufig kein Brot zu haben“, und im Mai mahnte er: „täglich tönt mir hier das jammervolle Geschrei in die Ohren, die Nothzeit ist so schrecklich und die versprochene Hülfe kommt vielleicht zu spät.“560. Schon kurz nach dem Aufruf von Joseph Görres konnte der Koblenzer Hülfsverein in zahlreichen Orten der Eifel Verteilerstellen zur Ausgabe von Brotspenden einrichten, unter anderem in Ahrweiler, Adenau und Münstereifel, wenige Tage später auch in Altenahr. An der mittleren und unteren Ahr zeichnete sich zu dieser Zeit bereits eine weitere Katastrophe ab. Die geringe Ackerfläche hatte die Versorgungslage 1816 besonders schlecht gestaltet, jetzt war für den Herbst 1817 eine Missernte beim Wein abzusehen. Die inzwischen von der Regierung in Gang gesetzten Hilfsmaßnahmen setzten daher hier zuerst ein.561 In Altenahr gab eine Suppen-Anstalt seit Dezember 1816 täglich Essen für 103 Bedürftige aus. Im folgenden Monat warteten 535 Hungernde auf Hilfe, die Anstalt konnte ihnen aber nur noch an jedem zweiten Tag Essen ausgeben. Wegen der ständig gestiegenen Preise musste sie schließlich ihre Arbeit ganz einstellen. Im Kreis Adenau hatten von Anfang an die Mittel für eine solche Einrichtung gefehlt. 1819 erinnerte sich der Bürgermeister der zum Kreis gehörenden Bürgermeisterei Kelberg, Cornelius Metten, in der Beschreibung seines Amtbezirks an die katastrophalen Zustände in der Hocheifel zur Zeit des Hungerwinters von 1816/1817: „Ich mag mich dieser Epoche nur mit Grausen erinnern. ... Ich habe Leute gesehen, die Gräser in den Wiesen gesammelt und gegessen haben … Die erkälteten Grundbirnen (erfrorene Kartoffeln) wurden als Leckerbissen benutzt.“562 Besonders groß muss die Not in der Gemeinde Nürburg gewesen sein. Gottfried Kinkel zeigte sich eine Generation später bei einem Blick von der Ruine der Nürburg das Johann Joseph Görres (seit 1839 von Görres), geb. am 25.1. 1776 in Koblenz, gest. am 25.1. 1848 in München, seit 1801 Gymnasiallehrer in Koblenz, 1806 – 1808 Privatdozent in Heidelberg, zunächst Anhänger der französischen Revolution und Befürworter einer Rheinischen Republik, 1814 – 1816 Herausgeber des Rheinischen Merkur in Koblenz, sein Einsatz für die Einheit, Selbstbestimmung und Demokratisierung Deutschlands führte im Januar 1816 zum Verbot der Zeitung, 1819 Flucht nach Straßburg, seit 1827 Professor in München, 1842 Mitbegründer des ZentralDombau-Vereins zu Köln. Steindruck von Johann Nepomuk Strixner nach einer Zeichnung von Peter Cornelius H. Wahl, A. Kippenberg: Goethe und seine Welt, Insel-Verlag, Leipzig 1932 S.21.

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