334 die nächsten acht Jahrzehnte blieb das deutsch-französische Verhältnis schwer belastet. Nach 1871 bemühte sich Bismarck darum, das Deutsche Reich außenpolitisch abzusichern. Dieses Ziel erreichte er mit dem Dreikaiserabkommen vom 22. Oktober 1873, in dem er sich von Österreich-Ungarn und Russland Neutralität zusichern ließ. Es folgte 1879 der Zweibund mit Österreich-Ungarn und 1887 der Rückversicherungsvertrag mit Russland. Unter den europäischen Großmächten nahm das Deutsche Reich bald in vielfacher Hinsicht eine herausragende Stelle ein. Es hatte die meisten Einwohner (1871: 41 Mill., 1890: 49 Mill., 1913: 67,5 Mill.), erlebte ein rasantes Wirtschaftswachstum und zählte zu den stärksten Militärmächten (1875: 420.000 Soldaten, 1900: 600.000, 1914: 794.000). Sein Anspruch auf einen Platz unter den Weltmächten erfüllte sich vorerst aber nicht. Das politisch zersplitterte Deutschland hatte die Gelegenheit verpasst, seinen Einfluss auf andere Länder oder Völker auszudehnen und Kolonien einzurichten, die die heimische Wirtschaft mit Rohstoffen versorgten und als exklusive Märkte dienten. Noch unter Bismarck konnte das Reich „Schutzgebiete“ in Afrika und im Südpazifik einrichten, aber erst nach seiner Entlassung verfolgte das Reich unter Kaiser Wilhelm II. seit 1890 eine imperialistisch orientierte Politik. Das von Bismarck aufgebaute Bündnissystem begann, sich aufzulösen. Wilhelm II. verweigerte 1890 die Verlängerung des Rückversicherungsvertrags mit Russland, das sich nun Frankreich annäherte. Frankreich und England fanden 1904 zu einem Bündnis (Entente cordiale) zusammen, das die Einflussgebiete beider Staaten in Afrika regelte. Die instabil gewordene weltpolitische Lage löste in allen Ländern Europas verstärkte Rüstungsbemühungen aus. Als Frankreich den Versuch unternahm, Marokko seinem Kolonialreich einzuverleiben, drohte 1905 erstmals Krieg. 1911 spitzte sich die politische Lage erneut zu, als französische Truppen in marokkanische Städte einmarschierten und die deutsche Regierung das Kanonenboot „Panther“ ins westliche Mittelmeer entsandte (Panthersprung). Frankreich musste nachgeben, Deutschland sah sich aber zunehmend isoliert. Das Verhältnis zu England verschlechterte sich aufgrund des intensiven Ausbaus der Flotte. Noch war Deutschland militärisch im Vorteil. Der Vorsprung drohte aber nach 1914 an die Verbündeten Frankreich, England und Russland verloren zu gehen.
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