Enges Tal und weite Welt

343 an die Deutsche Zentrumspartei. Am 6. Februar 1919 trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen. Sie wählte fünf Tage später den bisherigen Regierungschef Friedrich Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten. Er beauftragte Philipp Scheidemann mit der Bildung einer Regierung, der Vertreter von SPD, Zentrum und DDP angehörten. Die Beratungen der Nationalversammlung zu einer neuen Reichsverfassung endeten am 31. Juli 1919 mit der Annahme der Weimarer Reichsverfassung. Aus allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen sollte ein Reichstag als höchstes deutsches Parlament hervorgehen. Wahltag war der 6. Juni 1920. Die Wahl brachte keine klaren politischen Verhältnisse. Die linken Parteien waren zerstritten, ebenso das Zentrum und die 1918 daraus gelöste bayrische BVP. Schließlich kam ein bürgerliches Minderheitskabinett aus DDP, DVP und Zentrum zu Stande. Reichskanzler wurde Konstantin Fehrenbach vom Zentrum. Von den 112 Wahlberechtigten aus Kirchsahr hatten dem Zentrum 62 Stimmen gegeben. 36 Wähler hatten für die Christliche Volkspartei gestimmt. Sie war mit dem Anspruch angetreten, das Zentrum zu einer interkonfessionell-christlichen Volkspartei umzubauen. Auch die Wahlen vom 4. Mai und 7. Dezember 1924, 20. Mai 1928, 14. September 1930, 31. Juli und 6. November 1932 brachten in Kirchsahr nahezu 100%ige Ergebnisse für das Zentrum. Der 1919 noch von der Nationalversammlung eingesetzte Reichspräsident sollte gemäß der neuen Verfassung nach Ablauf der ersten Amtszeit 1925 ebenfalls aus einer direkten Wahl hervorgehen. Beim ersten Wahlgang erschienen am 29. März 1925 in Kirchsahr 86 der 118 Wahlberechtigten. Von diesen entschieden sich 83 für den gemeinsamen Kandidaten von SPD, DDP und Zentrum, Wilhelm Marx. Am 26. April 1925 gaben ihm in einem zweiten Das Wahlergebnis entsprach auf Ortsebene der Haltung der immer noch einflußreichen katholischen Kirche. Eine vom Pfarrer für eine am 1. Februar 1920 geplante Dankandacht vorbereitete Predigt gipfelte in der Frage:“Darf und kann ein vernünftiger katholischer Bauer sozialdemokratisch wählen und dadurch die Sozialdemokratie unterstützen?“ Die Antwort lieferte er gleich mit: „Sozialist sein heißt zugleich Antichrist sein“. Pfarrarchiv Kirchsahr, Nr. 87. Zu den Wahlen der Jahre 1932 und 1933 vermerkte der Pfarrer: „Das Jahr 1932/1933 war das Jahr des siebenfachen, erbitterten, rücksichtslosen Wahlkampfes. Dieser schlug seine Wellen auch stark in unser friedliches Tal. Insbesondere am Bergwerk wurde manches an die Ohren unserer Pfarrkinder getragen. Selbst der Kommunismus konnte in der Nachbarschaft starke Erfolge erzielen. Die Pfarrei Kirchsahr hielt sich treu an die Weisungen der Bischöfe.“ Pfarrarchiv Kirchsahr, Nr. 43, S. 128. Ergebnis der Reichstagswahlen vom 6.6. 1920 SPD 21,6 % USPD 17,9 % DNVP (monarchistisch) 15,1 % DVP (rechtsliberal) 14,0 % Zentrum 13,6 % DDP (linksliberal) 8,4 % BVP 4,2 % KPD 2,1 % Wilhelm Marx, (geb. 15.1. 1863 in Köln, gest. 5.8. 1946 in Bonn), Jurist und Politiker, 1923/1924 und 1926 – 1928 Reichskanzler Foto (um 1923) Library of Congress

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