364 Plittersdorf Die Frage nach dem Alter des Ortes ist bisher nur unbefriedigend beantwortet. Vereinzelt wird eine 927 in Worms ausgestellte Urkunde611 als ältester Beleg angeführt. Mit ihr wurden dem Kölner Stift St. Ursula ein Fronhof in Bierstadt und 30 dazugehörende Mansen geschenkt. Sie lagen in Bierstadt selbst, in Kloppenheim, Erbenheim, Wicker und Blitgeresuuilre. Heute sind Bierstadt, Kloppenheim und Erbenheim Stadtteile Wiesbadens612, Wicker gehört zur angrenzenden Gemeinde Flörsheim im MainTaunus-Kreis.613 Allein Plittersdorf würde von seiner Lage her eine Ausnahme darstellen. Der Ort ist in der Urkunde von 927 mit der näheren Lagebezeichnung „In pago Achgouue appellato in comitatu Kuonradi comitis“ versehen. Die Übersetzung lautet: „Im Gau, der Achgau genannt wird und (dort) in der Grafschaft des Grafen Konrad.“ Die nähere Bezeichnung eines Ortes durch Nennung des zugehörigen Gaus (Pagus) kommt vom 8. bis 12. Jahrhundert in Urkunden des westfränkischen Raums vor. Sie greift auf die spätrömische Gliederung der Provinzen zurück, bei der Pagus einen räumlich genau umrissenen Verwaltungsbezirk bezeichnete. Die fränkischen Gaue hatten diese Bedeutung aber nicht mehr. Sie waren nur noch stammesmäßig und landschaftlich grob umrissene Siedlungsräume ohne feste Grenzen. Ihre Siedlungskerne waren durch Wald und Ödland von benachbarten Siedlungsräumen getrennt. Von Achgouue hat die Lokalgeschichtsforschung auf den Ahrgau geschlossen. Aber diese zunächst eindeutig erscheinende Angabe gilt auch in der Forschung als unsicher.614 Bereits im Ahrgau kam der Ortsname Plittersdorf zweimal vor. Der Gau reichte bis in den Bonner Süden mit seinem gleichnamigen Ortsteil. Für einen dieser beiden Orte spricht die Nähe zu Köln als Sitz der beschenkten Stiftsdamen. Gegen diese Annahme stehen allerdings mehrere Einwände. Die Mansen in Blitgeresuuilre gehörten offensichtlich zum Fronhof in Bierstadt. Die Fronhofverbände bildeten aber meist räumlich geschlossene Komplexe. Nur selten lagen Mansen weiter von ihrem Zentrum entfernt. Man wird Blitgeresuuilre daher mit größerer Wahrscheinlichkeit im Gebiet des Mittelrheins, in nicht allzu großer Entfernung von Wiesbaden suchen müssen. Hier trafen im Mittelalter Nahegau, Niederlahngau, Wormsgau und Rheingau aufeinander. Niddagau und Oberlahngau waren nicht weit entfernt. In den Urkunden des 10. Jahrhunderts erscheint der Nahegau als Naahcgovve, Nahcgouue oder Nachgouue und kommt damit lautlich dem Achgouue näher als dem zu dieser Zeit stets mit den Silben Are- oder Arch- gebildeten Ahrgau.615 Blitgeresuuilre unterstand nach Ausweis der Urkunde hinsichtlich der weltlichen Verwaltung und der Rechtsprechung einem Grafen Konrad. Bierstadt, Kloppenheim, Erbenheim und Wicker gehörten zum Amtsbezirk eines Grafen Everhard. Zahlreiche Grafen der mittelrheinischen Gaue trugen einen dieser beiden Namen.616 Beide Vornamen waren in einer am Mittelrhein reich begüterten Familie des fränkischen Hochadels weit verbreitet. Die Häufigkeit des Vornamens Konrad wurde für sie schließlich selbst namensgebend. Es waren die Konradiner, die seit dem 9. Jahrhundert als Inhaber von Grafenrechten im Lahngebiet fassbar sind. Zu Anfang des 10. Jahrhunderts hatte das Adelsgeschlecht die Vormachtstellung in Franken und
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