4
|
B
AD
A
ACHEN
05/16
KARLSPREIS 2016
Stimme des Gewissens sendet
Weckruf für Europa
„Wir freuen uns sehr, dass der Heilige Vater den Karlspreis annimmt“, sagt der Oberbürgermeister.
Und reist dafür sogar nach Rom. Bis dato hat Papst Franziskus noch nie eine persönliche
Auszeichnung akzeptiert. Die Erwartungen sind entsprechend hoch – in Rom wie in Aachen!
Von Caroline Fister-Hartmann
K
arlspreis 2016: Neben dem ohnehin aufwendigen Zeremoniell,
das jede Verleihung dieser höchsten europäischen Auszeich-
nung
made in Aachen
mit sich bringt, ist es in diesem Jahr noch
ein bisschen mehr – und alles auch ein bisschen anders.
Das liegt daran, dass der Ort der Verleihung nicht das
Aachener Rathaus, sondern der Apostolische Palast im
Vatikan ist. Denn: Der 58. Träger des Internationalen
Karlspreises zu Aachen ist
Papst Franziskus
!
Und so wie der Berg nicht zum Propheten kommt,
reist der Heilige Vater auch nicht nach Aachen. Dafür
aber zahlreiche Öcher nach Rom. 500 Gäste dürfen am
Tag nach Himmelfahrt, Freitag, 6. Mai, um 12 Uhr in der
Sala Regia dabei sein. Unter ihnen Preisträger früherer
Jahre und hochrangige Politker. „Wir sind stolz, dass die
drei EU-Präsidenten und Karlspreis-Botschafter Jean-
Claude Juncker (Kommission), Martin Schulz (Parlament)
und Donald Tusk (Rat) dabei sind“, sagt
Oberbürgermeister
Marcel Philipp.
Auch der Stadtrat reist (fast geschlossen) an.
Ihnen allen wird ein spezielles Rom-Programm geboten: Kardinal
Walter Kasper zelebriert eine Messe im Petersdom. Die Verleihung
selbst gestaltet der Domchor musikalisch, der Oberbürgermeister
hält die Eröffnungsansprache, die EU-Präsidenten haben einen
gemeinsamen Redebeitrag, Dr. Jürgen Linden zitiert als Vorsitzender
des Karlspreisdirektoriums Begründung und Urkundentext, bevor
der Papst in italienischer Sprache seine Sicht auf die Lage Europas
darlegt. Die Erwartungen sind hoch, gilt der am 17. Dezember 1936
in Buenos Aires geborene Jorge Mario Bergoglio, der seit dem
13. März 2013 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ist, doch
als Botschafter des Friedens, dessen Wort Gewicht hat. Der Besuch
bei ihm ist also – in vielerlei Hinsicht – spannend. Und selbst danach
bleibt der Tag für die hiesige Delegation eindrucksvoll: Die Deutsche
Botschaft am Heiligen Stuhl lädt ein, und abends führt der Weg zur
Glaubensgemeinschaft Sant’Egidio in Trastevere. Unvergesslich!
Moralische Autorität
Dennoch: Für den einen oder anderen, vor allem aber für den
Vorsitzenden des Karlspreisdirektoriums ist es nicht das erste Mal.
„Ich hätte niemals damit gerechnet, noch einmal einem Papst den
Karlspreis anzutragen“, erklärt
Dr. Jürgen Linden
, der 2004 in seiner
Funktion als damaliger Aachener Oberbürgermeister Papst Johannes
Paul II. den außerordentlichen Karlspreis mit verlieh. Damals war die
Sala Clementina Ort der Feierlichkeiten mit rund 200 Gästen. Heute
ist Linden überzeugt, „dass der Papst als moralische Autorität die
Europäer dazu aufruft, Europa als Wertegemeinschaft zu begreifen
und die Ideale der Gründungsväter wiederzubeleben“. Das sei auch
dringend nötig, denn: „In einer Zeit, in der die Europäische Union
vor der größten Herausforderung des 21. Jahrhunderts steht, ist es
der Papst
vom anderen Ende der Welt
, der Millionen Europäern zeigt,
was sie zusammenhält.“ Dabei gehe es auch, aber längst nicht nur
um die Flüchtlingskrise.
Klare Worte und einen Weckruf für Europa erwartet auch Marcel
Philipp vom Argentinier Franziskus: „Der Papst ist eine Stimme des
Gewissens, die uns mahnt, bei all unserem
Tun den Menschen in den Mittelpunkt
zu stellen.“ Den Ausschlag für die
einstimmige
Wahl des Preisträgers
gab dessen denkwürdige Rede im
Jahr 2014 vor dem Europäischen
Parlament.
Eindringlich appellierte der Papst darin an die Abgeordneten, das
große Potenzial der europäischen Idee nicht zu verspielen. Und so
heißt es in der Begründung zum Karlspreis 2016 dann auch: „Das
Direktorium würdigt Papst Franziskus wegen seiner herausragenden
Botschaften und Zeichen, die sein Pontifikat für Frieden und Verstän-
digung, für Barmherzigkeit, Toleranz, Solidarität und die Bewahrung
der Schöpfung setzt.“
Jugend in Aachen – Papst in Rom
Schön und gut, werden viele Nicht-Geladene nun denken. Und:
ganz schön weit weg. Trotz der Entfernung soll die interessierte
Aachener Öffentlichkeit möglichst viel von den Feierlichkeiten mit-
bekommen. Und sich in diesem Jahr vielleicht sogar erstmals für den
Jugendkarlspreis erwärmen: Großartig sei die Gelegenheit, findet
Marcel Philipp, die jungen Preisträger jetzt stärker in den Fokus zu
bringen und so ihre außergewöhnlichen Leistungen für ein funktio-
nierendes Europa zu würdigen. „Am Dienstag die Jugend in Aachen
– am Freitag der Papst in Rom“, bringt er es auf den Punkt.
Premiere: Papst Franziskus nimmt den Karlspreis an.
Foto: shutterstock/neneo