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ACHEN
06/17
SPORT
15 Minuten: Länger dürfte es nicht dauern, bis das Peloton der Tour de France am 2. Juli die City hinter
sich lässt. Diese Viertelstunde lenkt aber immens viel Aufmerksamkeit auf Aachen – mit sportlichem Vorspiel!
N
ein, die Tour de France entscheidet sich
nicht
in Aachen.
Wahrscheinlich zeigt Chris Froome, der dreimalige Sieger,
Titelverteidiger und große Favorit beim härtesten und bekanntesten
Radrennen der Welt, seine Nase nicht im Wind der Spitzengruppe,
wenn das Fahrerfeld durch die Innenstadt rollt. Sieg oder Niederlage
entscheidet sich erst viel später auf steil ansteigenden Straßen in den
Pyrenäen oder in den französischen Alpen. Aachen ist in diesem
Sportspektakel von Weltruhm nur der Anfang, die zweite von 21
Etappen. Und das Vergnügen ist für die Öcher schnell vorbei, wenn
die besten Straßenradfahrer der Welt am Sonntag, 2. Juli, auf dem
Weg von Düsseldorf zum Zielort Lüttich durch die Innenstadt rasen.
Wusch und weg
: Für die 12,4 Kilometer durch Aachen braucht das
Fahrerfeld voraussichtlich gerade mal eine Viertelstunde.
190 Länder schauen auf den Markt
Und trotzdem! Trotzdem hat sich Aachen bemüht, 50 000 Euro
an Sponsorengeldern aufzubringen, um
Durchgangsstation
zu sein.
Denn diese ungefähr 15 Minuten bedeuten eben weit mehr als nur
wusch und weg.
Sie schreiben Aachener Sportgeschichte, von der
Radsportbegeisterte auch in Jahrzehnten noch sprechen werden.
Bester Beweis dafür: die Tour de France, die ja schon einmal in
Aachen war, 1992. Da führte die achte Etappe von Valkenburg nach
Koblenz durch die Stadt. „Ich war mit meinen Großeltern an der
Strecke“, erinnert sich Guido Diefenthal, der Vorsitzende des
Radsportvereins
Zugvogel
. „Das ging zwar ziemlich schnell, als das
Fahrerfeld an uns vorbeigeschossen ist. Trotzdem war es ein ganz
besonderes Erlebnis.“ Auch damals war die Strecke gesäumt, das
Rennen selbst war der schnelle Kern eines Großereignisses, das mit
der mehrere Hundert Fahrzeuge zählenden Werbekolonne beginnt,
bevor knapp eine Stunde später erst die Begleitfahrzeuge und dann
das Fahrerfeld anrollen. Jetzt freut sich Diefenthal auf das zweite
Mal: „Wenn man so will, dann ist die Durchfahrt der Tour eine Art
Belohnung für uns
Zugvögel
.“
Am Tag vorher sorgt der Verein nämlich dafür, dass das Wochen-
ende ganz im Zeichen des Radsports steht. Am Samstag flitzen die
besten Amateure und Halbprofis beim
Aachener Bank Rennen Rund
um Dom und Rathaus
durch die Innenstadt. Den Auftakt macht um
16 Uhr das
Jedermann-Rennen
, um 17 Uhr beginnt ein Slalom-
Wettbewerb auf dem Markt, das Schülerrennen startet um 18 Uhr,
die Nachwuchsklassen U15 und U17 um 18.30 Uhr. Um 19.30 Uhr
fällt der Startschuss für das Hauptevent. Danach, wenn die Straßen-
sperren entlang der Rundstrecke aufgehoben sind, endet auch der
Organisationsstress für die
Zugvögel
. Sie können am Tag danach
einen seltenen Moment der Öcher
Sportgeschichte genießen.
In den 103 Ausgaben zuvor war die
Tour nur neun Mal in Deutschland zu Gast.
Aachen hat jetzt zum zweiten Mal das Ver-
gnügen. Vergleichbar viel Aufmerksamkeit
beschert Aachen allenfalls der CHIO oder der
Karlspreis. „Die Tour de France wird live in
190 Ländern übertragen, gerade der Auftakt
erfährt immer besonders hohe Beachtung“,
sagt Stadtsprecher Bernd Büttgens. Für einige Augen-
blicke rückt die Kaiserstadt damit in den Fokus der
Weltöffentlichkeit. Und das nicht nur in sportlicher
Hinsicht. Der Medientross der Tour produziert im
Vorfeld mit großem Aufwand Filmbeiträge über die
wichtigen Durchgangsstationen. Viele Millionen
Zuschauer auf der Welt erfahren so am 2. Juli etwas
über Karl den Großen,
seinen
Dom und das moderne
Aachen mit seiner Hochschullandschaft. „Das ist aller-
bestes Stadtmarketing“, erläutert Oberbürgermeister
Marcel Philipp, warum die ganze Mühe auf jeden Fall
lohnt für ein Mal
wusch und weg
. Diese paar Werbe-
minuten weltweit wären für die Stadt ohne die
Tour schlichtweg nicht finanzierbar.
Eins, zwei Aachen: Die zweite Etappe der Tour de France führt durch die Kaiserstadt.
Lokaler Klassiker: Rund um Dom und Rathaus als Einheizer.
Foto: Zugvogel
Foto: Stadt Aachen