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B

AD

A

ACHEN

09/17

STADTGESCHICHTE

Über den Dächern

va Oche

Ohne den Karlsverein wäre der Aachener Dom vielleicht noch heute ohne Turm. Zum Glück steht

dieser seit 1884, und bereits seit 25 Jahren dürfen Besucher ihn ein Mal pro Jahr besteigen…

Von Sabine Mathieu

D

er höchste Kirchturm der Stadt ist – nicht der des Aachener

Domes. Nein, der Turm von St. Jakob misst 13 Meter mehr als

das 74 Meter hohe Dombollwerk. Böse Zungen behaupten außer-

dem, dass die Kaiserstädter 1100 Jahre gebraucht hätten, um ihrem

Münster einen vernünftigen Turm zu bauen. Das stimmt nicht ganz:

Der Dom hatte bereits im 14. Jahrhundert einen gotischen Turm

über dem karolingischen Westwerk – mit hoher Spitze. Die damalige

Konstruktion war für die öffentlichen Zeigungen während der

Heiligtumsfahrten mit Balkonen und Kapellen ausgestattet. 1322

fand die erste Zurschaustellung der Stoffreliquien, die Karl der Große

aus Jerusalem erhalten haben soll, vom gotischen Turm aus statt.

Allerdings wurde dieser 300 Jahre später buchstäblich vom Blitz

erschlagen

und musste abgetragen werden. Die Balkone und auch

die Brücke zum Oktogon blieben erhalten, der Domturm jedoch

wurde zu einem unscheinbaren Provisorium ohne Spitze, das mehr

als 260 Jahre Bestand haben sollte.

Erst 1879, am 9. Mai genau, beschloss der Karlsverein-Dombau-

verein, den heutigen Turm nach Plänen von Hugo Schneider, einem

Spezialisten für Kirchenarchitektur, errichten zu lassen. Nach fünf

Jahren Bauzeit war er 1884 fertig und hatte 180 000 Mark gekostet,

was nach heutiger Währung etwa das Zehnfache wäre. Der Neubau

im neogotischen Stil passte sich perfekt dem Vorbild aus dem

14. Jahrhundert an. Inzwischen war auch die Fassade des Westwerks

geändert worden. Der Vorbau aus Blaustein stammt aus 1788.

Damit war das offene Atrium geschlossen worden. Diese

Schürze

vor

dem Eingang, gemeinsam mit der imposanten Höhe des Turmes,

weckte bei den Aachenern die Fantasie: Sie nannten von nun an den

Domeingang spöttisch die

preußische Lokomotiv’

.

Am ersten Septemberwochenende hat seit inzwischen 25 Jahren

jeder Öcher die Chance, ebendiesen Turm gegen einen kleinen

Obolus zu besteigen (s. Kasten). Möglich macht das der

Aktionskreis

Aachener Dom

(AAD) gemeinsam mit dem Ehrendienst am Hohen

Dom zu Aachen. Der erstgenannte Kreis gründete sich aus den

Familien der Domsingschüler heraus. Die Idee wurde geboren, als

Eltern ein wenig gelangweilt auf das Probenende ihrer Sprösslinge

warteten. Sie überlegten, wie sie sich selbst zum Wohle des Domes

einbringen könnten. Die Öffnung des Turmes wurde zu einem

Erfolgsmodell.

Ehrendienst steigt auf – mit Erfolg

„Viele Aachener waren noch nie auf dem Turm

ihres

Domes“,

sagt Jürgen Sevenich, ehemaliger Domsingvater und heute Leiter

des Ehrendienstes. „Wir haben in den vergangenen 25 Jahren schon

Tausenden Menschen eine Besteigung ermöglicht. Mehr als 150 000

Euro konnten wir so für die Sanierung des Domes und den Förder-

verein des Domchors sammeln“, führt er fort. Und: „Wichtig ist, dass

die Besucher ihren Fotoapparat nicht vergessen. Es gibt bei jedem

Wetter von oben eine schöne Motivlage.“ Soll heißen, dass es sich

auch bei schlechter Witterung lohnt, die Treppe zu erklimmen. Denn

die muss jeder hoch, einen Aufzug gibt es nicht.

Zunächst geht es über die historischen

Eselstreppen

. Die Erbauer

hielten sie zu Kaiser Karls Zeiten so flach, dass Eselskarren das Bau-

material in die Höhe schaffen konnten. Bei rund 200 Stufen bis ganz

BESTE AUSSICHTEN

Turmbesteigungen im Aachener Dom finden

am Samstag, 2. September, zwischen 12.30

und 18.30 Uhr, sowie am Sonntag, 3. Sep-

tember, zwischen 12.30 und 18 Uhr statt.

Sie sind nicht geführt; Startpunkt ist an der

Turmtür, links neben dem Hauptportal am

Domhof. Dort befindet sich auch die Kasse.

Der Eintritt beträgt lediglich 2 Euro für

Erwachsene, für Kinder 1 Euro. Der

Erlös geht an die Aktion

Unser Dom

braucht Hilfe

. Eine Voranmeldung

ist nicht erforderlich.

Schon vormerken: Der Ehren-

dienst und das AAD-Team bieten

allen Interessierten an den ersten

drei Adventswochenenden erneut

die Möglichkeit, ab mittags den

Karlsthron zu besichtigen.

Dies und alles Weitere rund um

Besucheroptionen im Aachener

Dom gibt’s online.

www.aachenerdom.de

Foto: Domkapitel Aachen

Foto: Manuel Klering